cg100/Schürer 1934
Ihr politisches und künstlerisches Schicksal. Wallensteinfestspiele lockten in diesem Sommer des Gedenkjahres an die Ermordung des Friedländers Tausende nach Eger. Inmitten der großen Ruinen einer Kaiserpfalz lauschen sie den Worten des Dichters und das Schicksal des großen Politikers und Generals schlägt sie auf Stunden in Bann. Dann besichtigen sie noch die Fundamente jenes kleinen Hauses, in dem die Wallensteinschen Offiziere in jener Mordnacht hingemetzelt wurden. Der Burgkommandant Gordon hatte sie in tückischer Absicht in sein Haus geladen droben auf der Burg. Aus den Fundamenten ist das Zimmer gut zu erkennen, in dem das Blutbad sich abspielte, auch der Erker, der auf einem zeitgenössischen Bild der Ermordung (im Stadtmuseum) sorgsam abgebildet ist. Und im schauderndem Andenken an jene Stunden des Mordes werden sie die Ruinenstätte verlassen: Wallensteins Schicksal düstert für die meisten über diese Mauern. Das Erlebnis ist bezeichnend: nicht die Pfalz der Staufer macht Eger berühmt, sondern jene Mordnacht des Jahres 1634. Und doch ruht Egers eigentlicher Ruhm auf den Taten der Staufer, die unter Barbarossa hier ihre östliche Pfalz zu errichten begonnen hatten. Ein Jahrhundert hindurch war die Egerpfalz einer der wichtigsten Plätze des Stauferreiches überhaupt. Häufig – und besonders gern zur Winterzeit – weilten die Kaiser und Könige hier, Barbarossa zuerst, dann der stolze, kluge Heinrich VI., der dann so jung unten in des Südens Sonne hat sterben müssen, als er eben ausholte, die damalige Welt dem deutschen Kaisertum zu unterwerfen, – der hochgemute und geistesstarke Friedrich II., der das Papstum zu zertrümmern drohte, – dann sein unglücklicher Sohn Heinrich, der an der Empörung gegen den Vater zugrunde ging, und Konrad und noch Konradin, ehe er gegen Süden zog, seinen Kampf um das Erbe Sizilien mit dem Tode zu besiegeln. Einer der wichtigsten Plätze der Reichspolitik war damals die Egerpfalz. Von hier aus konnte der dauernd das südwestdeutsche Kaisertum bedrohenden Ostkoalition, zu der sich die sächsischen, thüringischen, böhmischen und auch bairischen Fürsten gerade damals wieder zusammenfanden, Schach geboten werden. Eger war die Schlüsselstellung für den Osten – und je bedeutsamer innerhalb der abendländischen Politik jener Osten wurde, um so bedeutungsvoller wurde auch der Platz Eger. Und zu Füßen des Pfalzbezirks wuchs in jenem Jahrhundert die Stadt Eger heran, ein wichtiger Umschlagsplatz deutscher Waren in den Osten und umgekehrt östlicher Produkte ins Innere des Reiches hinein, rege in seinem Handel mit Nürnberg. Später zog dann die veränderte Handels- und überhaupt Weltgestaltung immer mehr nach Osten. Die Verpfändung der Stadt Eger und der für die Reichspolitik immer weniger bedeutungsvoll gewordenen Burg an die böhmische Krone – unter Ludwig dem Bayer 1322 – war schließlich die politische Bekräftigung der Gesamtlage. Und nie wieder seither ist Eger ausgelöst worden. Die Habsburger wußten Eger immer fester ihrem Kronland Böhmen einzufügen. Bei Auflösung des alten Reichs blieb Eger böhmisch. Im Erinnern an die verschwundene Größe fragen wir uns: wie sah es aus, was heute dort oben auf dem Hügel über dem Egerfluß in Ruinen liegt, was könen wir aus den Bauten schließen auf Leben und Trachten jener großen deutschen Kaiser? Kommt man von den Bergen herunter, von den Ausläufern des Erzgebirges, des Fichtelgebirges und des Böhmerwaldes der Senke zu, die von der Egerfpalz beherrscht wird, so grüßt vom Hügel herab – steil geht er über dem Egerfluß auf – die Ruine des alten Palasbaus mit den reichen Arkaden, die den weiten Blick vom Kaisersaal aus in die Landschaft freigaben. Unmittelbar über dem Hügelfelsen gehen die Mauern auf, ein großer prächtiger Bau. Dem Nordost-Eck des Hügels gibt er die straffe Figur. Hinter ihm taucht der Kapellenbau auf, noch unversehrt, ein ernster Bau in hoher Blockform. Ehemals führte eine hölzerne Galerie vom Kaisersaal aus unmittelbar zum oberen Geschoß der Kapelle, um den Herrschern den unmittelbaren Zugang dorthin zu vermitteln. Ein runder Turm, der vor dem Palasbau – am Hang stehend – aufgeht, ist späteren Ursprungs als die Pfalzbauten, er wurde im 15. Jahrhundert, als die Pfalz schon in die Stadtbefestigung mit einbezogen wurde, errichtet. Von der Stadtseite aus, von Süden also – hat man einen ganz andern Eindruck von dem Burgbezirk. Der Hügel verläuft hier ziemlich eben in das weiterwellende Gelände. Gerade hier war aber ehemals die Angriffsseite: hier von Südost her drohte der Feind. So mußte ein breiter tiefer Graben eingestochen werden, der den Burgbezirk schützte, ehe noch die Stadt sich davor gelagert hatte. Über der Grabenwand geht trutzig der „Schwarze Turm“ auf, der mächtige Bergfried als stärkstes Bollwerk der ganzen Anlage. „Schwarzer Turm“ wird er genannt nach der farbe seines Steinmaterials: aus sehr großen, sorgsam behauenen Blöcken einer Basaltlava, die aus einem nahe bei Eger aufragenden Eruptionskegel, dem Kammerbühl, gebrochen wurde, ist er erbaut. Über 20 meter hoch, 8 Meter im Geviert – in den im deutschen Burgenbau üblichen maßen also – so ragt er als ein Zeuge friegerischer Zeiten. Sein unterer Teil ist an dieser Seite umbaut von den Festungskasematten, die im späten 17. Jahrhundert als Neubefestigung der Habsburger hier angelegt wurden. Ihr rotes Ziegelmauerwerk sticht scharf ab gegen das Schwarz der Basaltblöcke. Von dieser Seite aus wirkt der Pfalzbezirk also noch ganz als Wehranlage, während drüben die Prukanlage in Erscheinung trat. Und da stoßen wir auf das erste sowohl politische wie baugeschichtliche Problem, das die Wegerpfalz bietet: war der Platz Eger zugleich Wehr- und Prunkanlage? Wurden Burgtum und Palasbau zur gleichen Zeit errichtet? – Aus baugeschichtlichen Schlüssen allein läßt sich diese Frage nicht lösen. Der Bergfried ist in sehr typischer Art erbaut, wie sie seit 1100 bis ins 13. Jahrhundert hinein begegnet. Aus seiner Bauart, aus Stoff und Form läßt sich sein Alter also nur sehr ungenau bestimmen. Die Pfalzbauten, der Palas und die Kapelle, können gemäß der in ihnen auftretenden Formenwelt zeitlich ziemlich genau bestimmt werden, der Palas dürfte um 1180 begonnen worden sein. Vom baugeschichtlichen Gesichtspunkt aus können Turm und Palas also wohl gleichzeitig errichtet worden sein. Dagegen spricht aber eine andere Erwägung, die in viel einfachere Form, als wir sie hier gelten lassen dürfen, schon in der Volksmeinung ihren Ausdruck gefunden hat: der „Schwarze Turm“ ist älter als der Palasbau. Die Erwägung nämlich: sollte Barbarossa für seine große Machtenfaltung, der die Pfalz dienen sollte, einen Platz ausgewählt haben, der noch durch einen so starken Wehrturm vor Feinden verteidigt werden mußte? Oder allgemeiner ausgedrückt: Prunk folgt den Wehr immer nach. So müßte man im Falle Eger also annehmen, das der „Schwarze Turm“ schon vor Errichtung der Pfalz stand, d. h., daß hier auf dem Hügel über dem Egerfluß schon vor Barbarossas Zeit eine mächtige Burg das Gelände beherrschte, daß Barbarossa diese alte Burg zu seiner neuen Pfalz ausbaute. So berichten es auch die alten Chroniken und sie erklären auch, wie Barbarossa in den Besitz der alten Burg gekommen sei: er habe noch vor seiner Wahl zum deutschen König die Tochter des damaligen Burgherrn, des Nordgaumarkgrafen Diepolds I. geheiratet und Eger als Mitgift bekommen. Diese Darstellung hat den Forschern nun aber ziemliches Kopfzerbrechen bereitet: Barbarossa hat sich nämlich drei Jahre nach seiner Verheiratung mit dieser Vohburgerin Adela – nun deutscher König – schon wieder von ihr scheiden lassen, aber die Mitgift hat er behalten! Dies problemhaltige Märchen st inzwischen aufgelöst worden: Barbarossa hat Eger nicht als Mitgift bei seiner Ehe mit Adela erhalten, sondern viel später als Erbe seines verstorbenen Vetters, des Herzogs Friedrich von Rothenburg 1167. Und diese Tatsache eröffnet uns den Blick zurück auf die Geschichte der alten Burg an der Eger. Seit wann gehörte Eger denn zum Gebiet des Reichs? Bis um 500 haben Germanen in diesem Gebiet gesiedelt, ein bis zwei Jahrhunderte nach ihrem Abzug – vielleicht nur teilweisen Abzug – wurden Slawen Siedler auf diesem Boden. Die Reichsverfassung Karls des Großen hatte das Gebiet der oberen Eger noch nicht mit einbezogen. Die Grenzmark verlief weiter westlich. In mühseliger Besiedlungsarbeit drang das Deutschtum damals langsam von der Donau aus entlang dem Grenzwald (Böhmwerwald) nordostwärts vor. Diese östliche Grenzmark des Reichs, der bairische Nordgau, gehörte zu Bayern, wurde aber von Markgrafen verwaltet, die ihre großen Amtsbefugnisse – als Grenzwächter – immer fester ausbauten. Nabburg und Cham wurden einbezogen, allmählich – so ums Jahr 1000 – war man schon bis ans Wondrebgebiet vorgedrungen. Burgensysteme bezeichnen immer die jeweils erreichte Grenze. Als Heinrich II. gegen Böhmen zog, um den drohenden Ostbund Polens und Böhmens zu brechen (1004), verlautet von Eger noch nichts. Erst 1061 erscheint der Name Eger zum erstenmal in einer Urkunde. Ob man von dieser einen Nennung schon auf eine Befestigung Egers schließen darf, ist sehr zweifelhaft, denn das Gebiet dort war noch nicht reif für eine solche. Erst um 1100 unter dem mächtigen Markgrafen Diepold II. dürfte das obere Egergebiet dem Nordgau endgültig einverleibt worden sein. Von 1125 an erscheint der Name Eger denn auch des öftern in Urkunden, Beweis, daß jetzt dort eine starke Grenzbefestigung, eben eine Burg gewesen sein muß. Dieser eigenwillige Markgraf Diepold hat in der Politik eine wesentliche Rolle gespielt: er war unter denen, die Heinrich V. zur Empörung gegen seinen Vater Heinrich IV. aufstachelten. So war nun die Reichsgrenze gegen Böhmen sicher bewehrt, der Nordgau, das Kolonisationsgebiet des bairischen Stammes, war bis auf die Kämme des Gebirges, ja in Eger bis über sie hinaus vorgeschoben. Diepold hatte sein Herrschaftsgebiet bedrohlich vermehrt, bedrohlich für das Königtum, das ihm gegenüber den Anspruch auf das neu gewonenne Gebiet als Reichsland nicht mehr durchzusetzen sich getraute. Aber als dieser Markgraf starb (1146), war der Augenblick gekommen, daß das Königtum seinen Anspruch auf das „Lehen“ geltend machen konnte: Konrad III. zog es ein, vergabte es in Teilen an verschiedene Grafen, das wichtigste Gebiet an der Grenze aber, eben das Egergebiet, behielt er selbst, gab es dann an seinen Sohn Friedrich von Rothenburg. Von dem hat es später Barbarossa geerbt. Also nicht als Heiratsgut hat es der große Hohenstaufe bekommen. Aber sein Ehe mit der Vohburgerin hatte wohl doch politische Hintergründe: man nimmt an, daß diese Heirat das enterbte Haus der der Vohburger mit den Hohenstaufen wieder versöhnen sollte. Und tatsächlich erscheinen die Söhne des großen Diepold auch nach der Scheidung der kaiserlichen Ehe als treue Gefolgsmannen der staufischen Kaiser. Eger aber blieb staufisch. Und Barnarossa baute es zur Pfalz aus. Damit beginnt ein neues Kapitel in der Geschichte Egers. Wie die alte Burg beschaffen war, läßt sich nur durch Vergleich typischer Burggestalten des 12. Jahrhundert mit einigen Ausgrabungsergebnissen erschließen. Ihre erbauungszeit ist auf ungefähr 1130 anzusetzen. Denn vorher dürfte der Platz Eger nicht so stark befestigt gewesen sein. Der Zwinger mag sich – wie alte Abbildungen es für das 16. Jahrhundert belegen – schon damals um den Nord- und Westhang des Hügels hinaufgezogen haben zum Burgeingang am Südwesteck der Burg, wo Reste alter Mauern, die später in die Kasemattenbauten einbezogen wurden, eine alte Torbefestigung vermuten lassen. Auf dem Ostteil des Burgbezirks ist 1911 ein großes slawisches Gräberfeld freigelegt worden. Hier scheinen also ehemals keine größeren Burgbauten gestanden zu haben. Erst Barbarossa läßt hier seine Pfalzbauten errichten. 1932 und 1933 wurde ) nahe am Nordhang und nahe am Westring ungefähr in der Mittelinie des Gesamtbezirks die Fundamente starker Rundtürme freigelegt, die durch eine mächtige Mauer verbunden gewesen zu sein scheinen. Aus dem Ausgrabungsbefund wird deutlich, daß der westliche der beiden Rundtürme von „Schwarzen Turm“ verdrängt worden ist. Der „Schwarze Turm“ ist also jünger als diese alte Zweiturmanlage. Da man letztere einer der Pfalzanlage vorangehenden Burganlage zuschreiben muß, wird man den „Schwarzen turm“ nicht auch noch dieser Vorgängerin der Pfalz zuzählen dürfen, denn soviel zeitlicher Spielraum, wie ihn die Aufeinanderfolge so mächtiger Wehrbauten vorausegesetzt, liegt gar nicht zwischen Errichtung der ersten Burganlage und Errichtung der Pfalz. Man muß schließen, daß der „Schwarze Turm“ also doch erst anläßlich der Pfalzanlage errichtet worden ist. Diese erstaunliche Tatsache wird noch durch eine andere Überlegung gestützt. Der neue Pfalzeingang hängt mit dem „Schwarzen Turm“ als System innig zusammen. Dies System beobachten wir im deutchen Burgenbau erst in der Zeit um 1200. Und die Verlegung des Eingangs vom Südwesten des Bezirks an diese weiter östlich gelegene Stelle wurde ja auch erst bei Errichtung der neuen Pfalz, die einen monumentalen Eingang brauchte, notwendig. So müssen wir also festhalten, daß Barbarossa der Erbauer des heute stehenden „Schwarzen Turmes“ ist, daß er also seine Pfalz auch noch mit einem Wehrbau versehen zu müssen glaubte. Wehr und Repräsentation bestimmen also gleichmäßig den Pfalzentypus der Hohenstaufer. Die vorangehende Burganlage, das stolze Zweiturmsystem ), dürfen wir dem großen Markgrafen Diepold zuschreiben, der hier um 1130 ein Bollwerk zum Schutze des von ihm neu erschlossenen Egergebietes erbaut hat. Wo wir den Wohnbau dieser ersten deutschen Burg auf dem Egerhügel annehmen sollen, bleibt ungewiß. Die günstigste Stelle für ihn wäre der Nordrand, wo der steile Hang sichert. Vielleicht stand er an Stelle des jetzt wieder in seinen Fundamenten ausgegrabenen „Kuchelhauses“ (15. Jahrhundert), also unmittelbar westlich des Platzes, über dem später der neue Palas errichtet wurde. Vielleicht wurde er gar noch nach dessen Erbauung als Wirtschaftsbau von der neuen Pfalzanlage mitgenutzt. Die Schrägführung der Palaswestmauer erführe dadurch einen einleuchtende Begründung. Da an dieser Stelle aber keinerlei tiefe Fundamentmauern gefunden wurden, im Gegenteil ziemlich unberührtes Gelände, in dem Reste von Wohngruben aus slawischer Zeit und vielleicht noch früher aufgedeckt wurden, müssen wir mit dieser Ansicht zurückhalten. Der Wohnbau konnte auch zwischen den beiden mächtigen Rundtürmen gestanden haben. Am West- und Südrand des Berings mögen angelehnt an die Mauer noch andere Wirtschaftsgebäude der alten Burg gestanden haben, wie dort ja auch noch zur Pfalzenzeit solche erhalten oder neu aufgeführt worden sein mögen. Das Gräberfeld im Osten war also durch die erste deutsche Burganlage geschont und durch eine starke Mauer vom Burgbezirk ausgeschieden worden. Der deutsche Burgenbauer hatte also einen Bestand gewahrt, wie er vordem von einer in Scherbenresten und der Gesamtanordnung bezeugten slawischen Burgwallsiedlung (9. bis 12. Jahrhundert) angelegt worden war. Auf diese mächtige deutsche Burganlage pflantzte nun Barbarossa seine Pfalz auf. Das Gebiet war besiedelt. Die reinen Wehrburgen konnten weiter östlich vorgeschoben, der Pfalz an der Eger konnte zu stolzer und dabei wehrtüchtiger Machtentfaltung umgewandelt werden. Denn dies war von je der Sinn der kaiserlichen Pfalz: die herrscherliche Macht bedurfte nicht mehr der Sicherung durch die Burg, sie konnte nun durch große Prachtentfaltung wirken. Diese Prunkanlage des Herrschersitzes war von Karl dem Großen in das deutsche Bautum eingeführt worden. In Nymwegen, in Aachen und in Ingelheim hatte er seine großen Pfalzen errichtet, also alle just auf jener großen Mittelachse seines Reiches, die durch den Rhein gegeben war. Ein großer, von Säulengängen umzogener Hof: auf der einen Seite der kaiserliche Palast, auf der anderen die kaiserliche Pfalzkapelle. Imperium und Sacerdotium waren in diesem Bautypus vereinigt, als Ausdruck der theokratischen Idee, der von Gott eingesetzten Herrschaft über die Erde. Die Salier hatten den monumentalen Baugedanken dann wieder aufgenommen: im 11. Jahrhundert hatten sie ihre Pfalz bei Goslar errichtet, eine Stütze des süddeutschen Königtums in den gegnerischen sächsischen Landen. Wieder über mehr als ein Jahrhundert hinüber nimmt Barbarossa nun den alten Gedanken des großen Karl wieder auf: überall in seinem Reich erbaut er seine stolzen Pfalzen, Symbol der wiedererstandenen Kaiserherrlichkeit. Er beginnt in seinem Stammland, dem Elsaß. Hagenau und dann Lautern sehen die ersten Pfalzen erstehen. Weiter gegen Osten wird die Linie geführt: Nürnberg wird prächtig ausgebaut. Dann setzt der Pfalzenbau hoch im Nordwesten ein: Nymwegen wird erneuert, Kaiserswerth am Rhein wird erbaut. Diese nördliche Linie wird weitergeführt: Goslar ersteht in neuem Glanz, um den Harz herum entstehen mehrere Pfalzen. Auch Altenburg wird größer ausgebaut. Mit der wachsenden Bedeutung des östlichen Reichsgebiets mußten beide Pfalzenlinien auf Verlängerung gegen Osten drängen. Der Ausbau von Eger band sie gleichsam zu einem Keil zusammen, der gegen Osten vorstieß. Man begreift nun die großen Gesichtspunkte, unter denen Barbarossa die Plätze für seine Pfalzen auswählte. Eger gehört als wichtige Kopfstellung in das Gefüge der Barbarossapfalzen. Die vorausehende Klugheit, mit der sie gerade hier angelegt wurde, erwies sich fast ein Jahrhundert lang, als sich gerade an Eger die Machtverschiebungen zwischen Staufern und Welsen immer wieder ausrichten mußten. Der Pfalzenkeil mit Eger als Spitze hielt die dem Stauferhaus feindlich gesinnten Mächte auseinander, schob dessen Einfluß gegen Osten vor. Glänzende Hofhaltungen, prächtige Fürstentage hat die Pfalz in jenen Zeiten gesehen. Zur Vollendung war sie wohl erst unter Friedrich II. gediehen, so um 1220. Den Geist dieses Herrschers, der in Sizilien die Kultur der ganzen Welt in sich aufgenommen hatte, glaubt man im künstlerischen Ausdruck namentlich der kaiserlichen Kapelle wahrzunehmen. Der trutzige Bergfried, der an Stelle des alten errichtet wurde, wahrt ihr den Kampfcharakter, auf dem sich eine stolze Prachtentfaltung erst aufbauen konnte. Durch ein breites Einfahrtstor mit Torhalle, die vom mächtigen Turm daneben bewacht wurde, ritt man in den geräumigen Pfalzhof hinein. Die Stallungen und Wirtschaftsgebäude dürften im westlichen Teil gestanden haben. Der östliche war den Großbauten vorbehalten. Da traf man vom Eingang her zuerst auf die Kapelle. Sie stand vor dem Palast, so daß dessen halbe Fassade von ihr verdeckt war. Sie ist noch gut erhalten. Ihr Merkwürdiges ist die Teilung in zwei Geschosse, die durch eine Öffnung in der Zwischendecke miteinander verbunden sind. Diese Einteilung ist wieder durch das theokratische System des mittelalterlichen Kaisertums bedingt: die untere Kapelle war für die Gefolgsleute des Herrschers bestimmt, in der oberen nahm dieser selbst am Meßopfer teil, das unten oder oben zelebriert werden konnte. Die spätromanische Kunst hat diese zugrundeliegende Idee in reichste Raumschöpfungen weiterentwickelt. Die untere Kapelle – man muß einige Stufen zu ihr hinuntersteigen – macht einen schweren, erdhaften Eindruck. Auf gedrungenen Pfeilern ruhen lastende Gewölbe auf. Die Ornamentik der Kapitelle kerbt sich gleichsam mit Mühe in den schweren Granit. Ist man in die obere Kapelle emporgestiegen, so umfängt einen eine andere Welt: schwingende, scharfgerippte Gewölbe federn über schlanken Säulen auf, reiche Lichter spielen aus der Fensterzone nieder, im Chor lockt eine seitliche Arkade zu Drehung und Leichtigkeit des Körpergefühls. Die dumpfe Schwere von unten, die durch die Öffnung auch noch nach oben wirkt, wird nur noch als überwundene emfunden. Reiche Figurenornamentik schmückt Kapitelle und Konsolen, Säulen und Fenstergewände. Alle Schmuckteile sind aus edlem Marmor. Die Wände waren ehemals wohl reich bemalt, an den unteren Teilen mit Stickereien und Teppichen behangen. Eine hölzerne Galerie führte ehemals vom Palassaal unmittelbar zu diesem Oberraum. Durch das Marmorportal an der Westseite zog der Herrscher hier ein, die Sängerknaben begrüßten sein Kommen. Hier in der kaiserlichen Kapelle wurden auch jene wichtigen Urkunden unterzeichnet, die des Reichs Geschicke bestimmten. Man hat viel über die Baugeschichte dieser Kapelle gestritten. Der Eindruck der Unterkapelle schien mit dem der Oberkapelle zeitlich so gar nicht übereinstimmen zu wollen. Und tatsächlich: unten glaubt man sich in Zeiten des hohen romantischen Stils versetzt, oben aber schon in solche der reifen Gotik. So hat man denn auch angenommen, daß die obere Kapelle um ein Jahrhundert später errichtet worden sei als die untere, etwa nach einem Brand, der 1270 fast ganz Eger in Asche legte. Rudolf von Habsburg habe die Oberkapelle in den reiferen Formen seiner Zeit wieder aufbauen lassen. Dagegen macht stutzig, daß die Einzelformen in der Oberkapelle noch ganz und gar romantischen Formcharakter zeigen. So dachte man, daß nur die Gewölbe dem Wiederaufbau entstammten. Aber auch dagegen wurden Gründe vorgebracht: nirgens läßt sich eine Baunaht zwischen Schiff und Gewölben erkennen. Wir konnten im Gegenteil feststellen, daß die Bauornamentik der Oberkapelle dem gleichen Schulkreis angehört, wie die der Unterkapelle. Eine Unterbrechung im Bau kann also gar nicht so lange gedauert haben. Ein Überblick über romantischee Doppelkapellen lehrt uns, daß ein solcher Unterschied im Raumcharakter der Unter- und der Oberkapelle beabsichtigte Wirkung dieser spätromantischen Kleinbauten war: der Kontrast von der niederen, schwer eingewölbten Unterkapelle zu der leicht und elastisch schwingenden Oberkapelle sollte die Gemüter bewegen, die Überweltliche Stellung des Herrschers sollte in dem gelösten Raum oben sinnfällig zum Ausdruck kommen. Dieser Unterschied allein deutet also nicht unbedingt auf zeitliche Unterschiede in der Erbauung. In Nürnberg steht auf der Burg eine sehr ähnliche Doppelkapelle: in ihr ist der Gegensatz zwischen Unter- und Oberraum zumindest ebenso stark zum Ausdruck gebracht. Und die Nürnberger Kapelle scheint ohne größere Bauunterbrechung aufgeführt worden zu sein. Die Untersuchung der Einzelformen gibt weitere Aufklärung. Die untere wie die obere Kapelle durchzieht die gleiche Stilströmung: wir können sie aus dem Elsaß ableiten. Dort zeigen viele Kirchen eine bis ins einzelne gleiche Ornamentik in Kapitellen, Kämpfern und Basen. Diese Ornamentik läßt sich auch schon an den Arkaden des Palasbaus beobachten. Das heißt: von Anfang der Pfalzerrichtung an ist hier in Eger eine oberrheinische Hütte am Werk. Das ist keineswegs verwunderlich: die Staufer betrachteten das Elsaß als ihr Kerngebiet. Dort ließen sie viel bauen. Eine der dort eingesetzten Hütten wird nach Eger berufen, um die Pfalz zu erbauen. Damit ist also das Herkunftsgebiet der Egerer Kunstübung geklärt. Der Hinweis gestattet nun auch weitere Aufklärung über die Sonderheiten der Egerer Architektur, besonders derjenigen der Kapelle. Die leichte und frohgemute Wölbung der Oberkapelle, die man zunächst nicht in die Zeit der Pfalzerrichtung zu datieren wagte, hat im Elsaß ihresgleichen. Viele der dortigen Kirchen zeigen ganz ähnliche, energische Wölbung über Rippen schon zu dieser Zeit (um 1200). So braucht man auch von diesem Gesichtspunkt aus keine allzulange Frist zwischen Aufführung der Unterkapelle und der Oberkapelle anzunehmen. Die Unterkapelle wird gleichzeitig mit oder kurz nach der Aufführung des Palas begonnen worden sein. Dann ließen die politischen Wirren um 1200 den Weiterbau stocken. Erst unter Friedrich II. wird die Oberkapelle ausgeführt worden sein. Ihr Raumcharakter paßt sehr wohl zu dem uns bekannten Kunstgeschmack dieses großen und hochgebildeten Kaisers. Er war es ja auch, der zu Gelnhausen, zu Wimpfen und Seeligenstadt die kaiserlichen Pfalzen erbauen ließ. Wir müssen ihn als den Vollender der Egerpfalz namhaft machen. Nun noch die Beschreibung des großen Palasbaus, des Hauptgebäudes der Pfalz. Vom eindrucksvollen Eingang aus führte die Hauptachse – vorüber an der Kapelle – auf ihn zu. Man betrat das Untergeschoß auf einem abschüssig geführten Rampenweg. Vor dem untern Eingang scheint eine Art Freitreppe zum Hauptportal im Obergeschoß hinaufgeführt zu haben, eben zu jenem Saaleingang, von dem aus die Galerie hinüberführte zur Kapelle. Über diesem Saalgeschoß dürfte schon das Dach aufgegangen sein. Diese Stockwerkanordnung finden wir auch in den älteren Pfalzbauten zu Goslar und zu Braunschweig. Das Fachwerkgeschoß, das Abbildungen aus dem 16. und 17. Jahrhundert zeigen, stammt aus dem späteren 15. Jahrhundert. Das untere Stockwerk versank auf dieser Seite halb im Erdboden, so hatte es hier auch keinerlei Fenster. Einige überwölbte Vorbauten dürfen als Heizkammern angesprochen werden. Denn sicher hatte dieser große Palasbau, in dem die Kaiser besonders gern zu Winterzeit residieren, ausgezeichnete Heizanlagen: in Heizkammern wurde die Luft erhitzt und dann durch Kanäle der einzelnen Räumen zugeleitet. Im Palas zu Braunschweig haben sich diese Heizanlagen gut rekonstruieren lassen. Der gegen Norden gelegene Palas zu Eger bedurfte solcher Zentralheizung ganz besonders. Das untere Geschoß war in zwei große Säle aufgeteilt, die von einer Stützenreihe, vielleicht über Arkaden, der Länge nach unterteilt waren. Gegen Norden und Osten hatten sie Lichtöffnungen, die in verhältnismäßig kleinen Abmessungen die Dicke der Mauern durchbrachen. Heute sieht man hier noch andere Öffnungen: sie wurden erst später – teils als Ausschußlöcher für Geschütze – eingebrochen. Diese Säle dürften für die Gefolgsleute bestimmt gewesen sein. Ställe, wie vermutet wurde – wird man unter dem Kaisersaal wohl kaum untergebracht haben, für die waren zweifellos eigene Stallgebäude auf dem weiten Pfalzhof vorhanden. Ob von diesem untern Geschoß ein Aufgang zu dem oberen geführt hat, läßt sich nicht feststellen. Es ist nicht anzunehmen. Die Dienerschaft mochte von dem Anbau aus zu den kaiserlichen Gemächern und zum Saal gelangen. Die Gäste und die zur Audienz zugelassenen werden den Saal durch den Haupteingang betreten haben. Das Obergeschoß wurde zum größeren Teil vom Kaisersaal eingenommen. Die drei großen Arkaden in der Nordwand und die kleinere in der Ostwand bezeichnen seine Lage. Dieser mächtige Saal wird ebenfals von einer Stützenreihe, welche die Deckenbalken zu unterfangen hatte, unterteiltgewesen sein. Der Sitz des Kaisers wird an der Ostseite aufgestellt gewesen sein – dort ist das Fenster aus der Mittelachse herausgerückt. Die prachtvoll geschmückten Fensterarkaden ließen reiches Licht einströmen. Ihre Säulen aus Marmor mit den verzierten Kapitellen und Kämpfern gaben dem gewaltigen Saal eine anmutige Note. Gegen Wind und Wetter mußten sie mit Gehängen oder mit schweren Läden abgeschlossen werden. So ist zu vermuten, daß der Saal auch an der nicht mehr erhaltenen Südwand Fenster hatte, wenn auch nur kleine, da dort ja die Kapelle jede Sicht verbaut hatte. Anschließend an den großen Saal gegen Westen folgten zwei große Gemächer, sicher für den kaiser selbst bestimmt. Fenster in zwei Lagen übereinander und je ein Aborterker lassen die Größe der Gemächer auch in dem heutigen Zustand, der ja keinerlei Zwischendecken und Zwischenmauern mehr aufweist, noch klar erkennen. Auch diese Gemächer gaben also eine weite Sicht ins Tal und auf die Höhenzüge im Norden frei. Man erkennt daraus, wie damals ein ganz neues Naturgefühl die Menschen lockte, die Landschaft mit herein zu beziehen in ihr Wohnleben. Den Gemächern südlich vorgelagert scheint ein Gang geführt zu haben. Dies eine bemerkenswerte Neuerung im Palas zu Eger. Die älteren Palasbauten kannten Gangsysteme innerhalb der Häuser noch nicht. In Eger scheint die Notwendigkeit eines Gangs durch ganz bestimmte Einteilungen aufgezwungen worden zu sein. Wir sprachen schon von einem Wirtschaftsbau, der westlich an den Palas angeschlossen haben muß. Ob man in ihm den alten Wohnbau der Vohburgerburg zu sehen hat, der also zu solchem Zweck erhalten worden wäre, oder aber einen bei der Pfalzerrichtung neu aufgeführten Anbau, ist nicht zu entscheiden. Sicher ist, daß ein solcher Anbau die Küchen und Wirtschaftsräume für den Hofgetrieb und vielleicht noch Wohngemächer enthalten haben muß. Von diesem Anbau aus brauchte man eine Verbindung zu den kaiserlichen Gemächern und zu dem Kaisersaal. Da man diese Verbindung nicht durch die kaiserlichen Gemächer hindurchführen konnte, war man genötigt, ihm einen eigenen Gang zu bieten, der vom Anbau unmittelbar zum Saal führte und außerdem Zutritt zu den kaiserlichen Gemächern ermöglichte. So kam es in Eger erstmalig in der Geschichte des deutschen monumentalen Profanbaus zur Einführung dieses wichtigen Gliedes, dessen weitere Entwicklung dann für die Ausgestaltung des Profanbaus so wichtig werden sollte. Denn von diesem einfachen Gang aus führt entwicklungsgeschichtlich eine gerade Linie bis zu den Prachttreppenhäusern der Barockzeit. In der auf Eger folgenden Pfalz Gelnhausen ) ist denn auch diese neue Bauglied schon viel reicher ausgeführt. Ob die Gangaußenseiten – gegen Süden – auch in Eger schon mit kleinen Arkaden geschmückt waren, ist nicht festzustellen. Die betreffende Außenmauer zeigt sich im heutigen Zustand arg verbaut. Auch ein alter Plan aus 1694 weist schon diese Verbauung aus. Vielleicht war er in Eger tatsächlich nur behelfsmäßig ausgestattet, wenn man auch annehmen sollte, das die Baumeister diese dem Hof zugewandte Seite, also die eigentliche Schauseite, besonders prächtig ausgestattet hätten. Aber darin liegt ja die andere Neuerung, die der Palas zu Eger brachte. Er wandte seine Hauptpracht ja vor allem dem Draußen, der freien Landschaft zu. Alle früheren Paläste hatten die Arkaden oder sonstwie die schmückenden Teile der Innerseite, der Hofseite also zugedreht. In Eger zum erstenmal tritt der Hauptschmuck an die Außenseite. Das braucht nicht heißen, daß die Innerseite darüber vernachlässigt worden sei. Vielleicht gestalteten die Egerer Meister ihren Bau allseitig gleich prächtig aus. Und damit hätten sie im Profanbau das nachgeholt, was der Kultbau: die Basilika schon errungen hatte: den allseitig gleich ausgestalteten, objektiv sich darstellenden Kernbau, der nicht nur die eine Fassade hervorkehrt, sondern blockartig allseitig sich darbietet. Ein echt deutsches Ideal, das den römischen Fassadentyp überwindet. Zu dessen restloser Verwirklichung ist der deutsche Profanbau dann aber erst in der späten Renaissancezeit gelangt. Vielleicht war Eger ein erster Vorstoß in dieser Richtung. Der weite Hof zwischen den Bauten war wohl ziemlich frei gehalten. Nur der Brunnen, das wichtige Erfordernis von Burg und Pfalz, mag eine monumentale Ausgestaltung erfahren ) haben. Einiger Baumwuchs wird auch schon damals einen heimlicheren Ton hereingebracht haben, die dan zu dem dröhnenden Klang der Großbauten in reizvollem Gegensatz gestanden haben muß. Auf solcher Stätte also begaben sich die stolzen Hoftage der Hohenstaufen. Hier strömte bei Kaiserbesuchen, die oft lange währten, die Blüte deutscher Ritterschaft, deutscher Kultur überhaupt zusammen. Besonders unter dem großen Friedrich II. und dann auch unter seinem schaffenseifrigen, aber unbedachten Sohn Heinrich mag ein reiches Geistesleben hier auf Eger geherrscht haben. Die Reichspolitik traf hier schwerwiegende Entscheidungen. Aber mit dem Hinsinken der Staufermacht – 1150 stirbt Friedrich II. – ist auch Egers Bedeutung als Schlüsselstellung der Reichspolitik erloschen. Přemysl Ottokar II. von Böhmen hält es lange besetzt. Rudolf von Habsburg gewinnt es nochmal dem Reich zurück. Es folgt ein Hin und Her. Noch schätzt man den Besitz der Burg und auch der Stadt, die jetzt schon kräftig herangewachsen war, hoch ein. Man bemüht sich, Eger als Pfand zu bekommen, um es dann ganz behalten zu können. So auch Johann von Luxemburg, der Böhmenkönig: er läßt sich Eger vom deutchen König Ludwig dem Bayer für seine Hilfe bei dessen Thronkämpfen als Pfand zuschreiben (1322). Und damit war es dem Reich endgültig verloren. Denn nie wieder seitdem ist das Pfand ausgelöst worden. Ja die Habsburger wußten durch kluge Maßnahmen alle Spuren staatsrechtlicher Zugehörigkeit Egers zum Reich zu löschen. Eger wird eine Stadt Böhmens. Eine Burg wird in die Habsburgische Festung gegen den Westen mit eingeschlossen. Um Jahre 1634 spielte sich dort oben auf der Burg der grausige Vorgang ab: Wallensteins Offiziere, die der Burgkommandant Gordon zu Gast galaden hatte, werden in dessen Haus – eben dem Anbau an den Palas – ermordet. Und drunten in der Stadt fällt Wallenstein selbst den Mördern zum Opfer. Die Neubefestigung Egers nach dem 30jährigen Krieg bringt dann wieder reges bauliches Leben auf die schon dem Verfall geweihte Pfalz. Zwar: bei den alten Pfalzbauten scheint man sich mit untergeordneten Ausbesserungsarbeiten beschränkt zu haben. Besonders der Palas, auf den man im 15. Jahrhundert noch ein Stockwerk aus Fachwerk aufgesetzt hatte, mag schon sehr baufällig gewesen sein. Die Kapelle diente zeitweise als Pulvermagazin. Das bauliche Leben betrifft nur die Kasemattenbauten, die jetzt im Süden aufgeführt werden: Ziegelbauten in der damaligen Festungsbauweise. Im Westen wird eine hohe Böschung aufgeschüttet, auf der eine Batterie in Stellung gebracht wird. Die Erde für diese Böschung gewinnt man durch Vertiefung des Halsgrabens im Süden. Unter der Böschung mögen verschiedene ältere und neuere Burg- und Pfalzbauten, eben Wirtschaftsbauten verschüttet worden sein. Auch das Gordonhaus, der Anbau an den Palas, fiel ihr zum Opfer. Erst 1932 wurden seine Fundamente wieder freigelegt. ) Unter den Festungsbaumeistern begegnen um 1700 die berühmtesten Namen des böhmischen Barock: Leuthner, Dientzenhofer, Orsiny. Festungsbaukunst war ja die Grundlage, über die sich die große Barockbaukunst entfalten konnte. Die meisten der großen Barockmeister haben als Festungsbaumeister begonnen. Als solche hatten sie ja auch ihre – meist militärische – Schulung durchgemacht. Die Umwandlung zur Festung hat der Pfalz viel künstlerische Reize genommen. Die plumpen Kasemattenbauten umlagern die Bauten der romanischen Zeit, lassen ihren stolzen Anstieg nicht mehr ganz zur Wirkung kommen. Im 18. Jahrhundert verfiel der Palas dann mehr und mehr. Aber auch später ward allzuwenig Sorgfalt auf die Erhaltung der Bauten verwertet. Im 19. Jahrhundert wird einiges an der Kapelle restauriert, der Palas war schon dem Untergang geweiht. 1895 geht die Pfalzruine in den Besitz der Stadtgemeinde Eger über, die seitdem für das Erhaltene zu sorgen hat. Großartig spricht noch heute die Ruine des Palasbaus vom Egertal aus uns an. Die Doppelkapelle ist leidlich gut erhalten: der Wohllaut ihrer Räume kann uns noch immer begeistern. Unversehrt ragt noch immer der „Schwarze Turm“, dessen gewaltigem Gemäuer sieben Jahrhunderte nichts anzuhaben vermochten. Ein stolzes Denkmal unserer Geschichte grüßt uns in dieser Ruine. Und wenn wir hinziehen, sie zu bewundern, so wollen wir nicht tote Altertumsschnüffelei treiben, sondern unser heutiges leben bereichern. Aus Steinen, die wir zum Reden bringen, wollen wir versunkene Kräfte des Volkstums wieder lebendig machen, die ehemals solches aufgerichtet und die Welt durch edle Form gestaltet haben. ) Von Dr. Oskar Schürer, Privatdozent, Universität Halle.
(cg100/Schürer 1934)