SEHENSWÜRDIGKEITEN BURG EGER PFALZKAPELLE
ZURÜCK ZUR AUFLISTUNG visit cheb ikonka šipky

Pfalzkapelle

Für die Öffentlichkeit zugänglich (nach Öffnungszeiten) Gruppenbesuche
Als besonders wertvoll betrachtet man die Doppelkapelle, die auch der am besten erhaltene Teil der Königspfalz ist. Der untere Teil war dem Hl. Martin, der obere Teil dem Hl. Erhard und der Hl. Ursula geweiht. Der untere und obere Raum sind durch eine achteckige Öffnung verbunden. Wirkt der untere, romanische Raum schwermütig und trüb, so zeigt sich der obere Raum mit gotischen Elementen hell und geziert. Im oberen Raum finden wir ein Oratorium für den Herrscher.

Anfang des 18. Jahrhunderts wurde entschieden, dass die Kapelle als Munitionslager dienen sollte. Das hat die Kapelle eigentlich vor dem Abbruch gerettet.

(RS)
Mehr anzeigen

Historische Texte

Sturm 1952

Die Doppelkapelle

An der Südseite vor dem Saalbau des Palas steht die Doppelkapelle, das einzige noch vollständig erhaltene Bauwerk der Kaiserburg. Nach den in Bruchsteinmauerwerk aus dunkelgrauem Schiefer ausgeführten und mit durchgehenden Granitlisenen unterteilten Außenwänden zu schließen, wurde die Kirche in einem Zuge erbaut; der Innenausbau der beiden übereinander gestellten Kapellen erfolgte indes in zwei von einander getrennten Bauabschnitten. Der Grundriß besteht aus einem quadratischen Kapellenraum von etwas über acht Metern Lichte und einer ostwärts anschließenden Altarnische, die an Tiefe etwa die Hälfte des Kapellenraumes mißt. Der Eingang vom Burghof her liegt an der Südwand der Kapelle und führt über einige Stufen in den unteren Raum. Der obere Raum war gesondert über einem hölzernen Außengang vom Palas her durch eine heute vermauerte Tür in der Westwand zugänglich. Beide Kapellen verbindet eine einmal gewendete schmale Treppe mit hohen Stufen. Die ursprüngliche Bedachung bestand aus einzelnen Giebeldächern, die den Lisenenabteilungen entsprachen. Das heutige abgeflachte Schindeldach wurde 1818 aufgesetzt, nachdem das Gebäude seit 1762 unbedeckt war. Der untere Kapellenraum, den man vom Burghof aus durch ein einfaches Rundbogenportal über einige Stufen hinab betritt, ist durch vier stämmige Granitsäulen untergliedert, die das massive Rundbogengewölbe tragen. Die glatten Säulen ruhen, durch einen Doppelwulst mit Eckverzierungen verbreitert, auf quadratischen Platten und enden in wuchtigen Würfelkapitälen, die unter sich verschiedene Ornamentik zeigen. Es sind hier Palmette, Band-, Blatt- und Spiralornamente vertreten, die auf Zusammenhänge mit der oberrheinischen Ornamentik jener Zeit des ausgehenden 12. Jahrhunderts hinweisen. An den Ecken zweier Kapitäle sind kleine Köpfe als Schmuckstücke angebracht. Die rundbogigen Gewölbekanten sind durch genau aneinanderrgefügte Granitsteine markiert. Die Wände und Gewölbe überzieht heute ein körniger Mörtelverputz. Der Fußboden ist mit quadratischen Steinfliesen belegt. An der Westwand befindet sich ein kleines, mit Granitsteinen umrahmtes Rundfenster, dem an der Aßenmauer der gegenüberliegenden Altarnische eine gleichartige Fensteröffnung entsprochen haben dürfte. Heute ist dort ein größeres Fenster mit spätgotischen Stilmerkmalen vorhanden. Sonst befinden sich nur noch beidseitig des Einganges kleine rundbogige Fenster, so daß der Raum in seiner ohnehin wuchtigen und gedrungenen Gestalt einen düsteren Eindruck vermittelt. Ostwärts dieses quadratischen Kapellenraumes befindet sich anschließend, über zwei Stufen erreichbar, die Altarnische, von der aus zu beiden Seiten schmale Einlässe zu je einem engen fensterlosen Raum führen. Diese Abteilungen dürften als Sakristei und Umkleideraum für den Priester gedient haben. Von dem linken Nebenraum führte ursprünglich eine enge Wendeltreppe sind im Erdgeschoß noch vereinzelt erkennbar; vom oberen Geschoß ist sie bis zum Dach vollständig erhalten. Über diese steile Wendeltreppe gelangt man oberhalb des Obergeschosses an einem kleinen, mit einem Kamin versehenen Raum vorbei, der durch ein schmales Fenster erhellt wird. Der Zweck dieses Gemaches ist nich bekannt; es knüpft sich daran die Sage, daß der um die Mitte des 15. Jahrhunderts in kurzer Zeit zu großem Reichtum gelangte Bürger und Bergwerksunternehmer Sigmund Wann hier sein Gold gemacht und andere alchimistische Versuche angestellt habe. Die Wendeltreppe in Erdgeschoß dürfte sehr frühzeitig abgebrochen und durch die im unteren Kapellenraum an die Nordwand gerückte Treppe, die einmal gewendet in hohen Stufen zur oberen Kapelle führt, ersetzt worden sein. Unter- und Oberkapelle sind durch einen achteckigen Durchblick am Scheitel des mittleren Kreuzgewölbes miteinander verbunden. Dieser Durchblick ermöglicht es, vom oberen Kapellenraum in die Altarnische der unteren Kapelle zu sehen, ohne daß man von unter erkennen kann, wer sich in der oberen Kapelle aufhält. Nach Fertigstellung des gesamten Baues dürfte das Erdgeschoß als Kultraum für das Volk und die Oberkapelle für den König und sein Gefgolge, sowie für die Ministerialen vorbehalten gewesen sein. Wie in den Doppelkapellen der westlichen Kaiserpfalzen verkörpert der sinnvoll gegliederte Innenbau auch der Egerer Doppelkapelle symbolisch die Hierarchie des staufischen Imperiums. Die Doppelkapelle, die in vielfacher Beziehung mit der Nürnberger Burgkapelle verwandt ist, steht in keiner unmittelbaren räumlichen Verbindung mit den übrigen Bauten der Reichsburg, sondern ist als selbständiger Baukörper gestaltet, zu dem lediglich vom Palas aus ein außen angefügter Holzgang einen direkten Zugang zur Oberkapelle ermöglichte. Der ebenerdige Eingang in die Unterkapelle ist an der Südwand des Baublockes gelegen und vom Burghof aus zugänglich. Der obere Kapellenraum, der im Jahrzehnt nach 1215 ausgebaut wurde, vermittelt einen völlig anders gearteten Raumeindruck als die in ihrer gedrungenen Wucht fast düster erscheinende Unterkapelle. Wohl ist auch hier die Rundbogenform in den länglichen Fenstern und je ein Rundfenster in der Altarnische und in der gegenüberliegenden Kapellenwand beibehalten, aber die schlank aufragenden, verschieden profilierten vier Säulen, die den achteckigen Durchblick umschließen und auf denen die zur Spitzform neigenden Rippen der Kreuzgewölbe aufgesetzt sind, weisen auf die Zeit der früher Gotik. Diese Säulen bestehen wie die Fenstergewände aus grauem Marmor. Zwei von ihnen sind rund und zwei achteckig und ensprechen sich in der Diagonale. Sie ruhen auf hohen quadratischen Granitsockeln, von denen ornamentierte Säulenbasen zum Schaft überleiten. Die Kapitäle sind reich mit Schmuckformen ausgestattet, die in ihrem phantastischen Symbolgehalt und durch figurale Elemente noch weitgehend spätromanisch anmuten. Auch hier wechseln die Schmuckmotive in der Weise, daß sich jeweils die diagonal gegenüberstehenden Säulen aufeinander beziehen. Das eine Säulenpaar zeigt ornamentalen Blatt- und Pflanzenschmuck, das andere das Symbol von Tugend und Laster: das dem Altar zugewandte Kapitäl läßt Engelfiguren mit Gebetbuch, Weihrauchfaß, Kreuz und Bischofsstab erkennen, die mit Andacht der Messe zuhören; das Kapitäl an der gegenüber liegenden, der Westwand zugekehrten Seite gibt eine Teufelsfratze wieder, aus deren Rachen beiderseits schlangenartige Ornamente hervorquellen und um die Ecken herumwachsend an den Ohren zweier nackter Figuren enden. Die eine stellt einen bejahrten Mann dar, die andere ein junges Weib, das mit ausgebreiteten Schenkeln und einem Geldstück in der Hand zur Lust lockt. So wie diese Mittelsäulen sind die an den Seitenwänden der Kapelle angesetzten halbrunden Wandsäulen durch immer wechselnden Kapitälschmuck belebt. Hier sind Fratzen und Pflanzenornamente oder auch Männer- und Frauenköpfe, deren Haare in Ornamentgebilden auslaufen, herausgemeiselt. Das Kreuzrippengewölbe ruht auf den vier Mittelsäulen und den Halbsäulen an den Wänden in der Weise, daß eine gleichhohe Kämpferlinie den ganzen Kapellenraum umzieht. Gegen die Altarnische zu ist diese durch ein reiches verkröpftes Sockelgesims mit vier aufsteigenden Stufen unterbrochen. Darauf aufgesetzte und gestaffelt gestellte Halbsäulen mit Kapitälschmuck betonen festlich den Eingang zur Altarnische. An der nordwestlichen Ecke der Oberkapelle endet die von unten heraufführende, einmal gewendete Treppe. Hier ruht das Gewölbe auf einer Wandkonsole, deren unterer Teil in einer Gesichtsplastik ausgearbeitet ist. Wenige Schritte davon entfernt ist in der Westwand ein Zugang vermauert, durch den man früher vom Palas her über einen verdeckten Außengang unmittelbar in die Oberkapelle gelangen konnte. An den Außenseiten der westlichen und südlichen Kapellenwand sind noch heute die Tragsteine zu sehen, auf denen der in Holz gefertigte Außengang ruhte. Von hier aus müssen dann noch einige Stufen zum Eingang in den oberen Kapellenraum geführt haben. Die vollständig erhaltene Doppelkapelle der Egerer Kaiserburg zählt zu den hervorragenden Baudenkmalen aus der Blütezeit des deutschen Mittelalters. Wie in den staufischen Kaiserpfalzen klingen auch in der Kaiserburg die Wesensseiten der mittelalterlichen Reichsidee nach, nicht nur in jenen bis zur Gegenwart erhalten gebliebenen baulichen Zeugen einer über das Örtliche hinaus reichenden Wirklichkeit, sondern auch in den Erinnerungen geschichtlicher Vorgänge, die mit Eger verknüpft sind. Eger war damals in jeder Beziehung unangefochten ein Teil des deutschen Mutterlandes und zeitweilig der Ort bedeutsamer Entscheidungen in der Politik des Reiches. Das Kernstück der Doppelkapelle ist die ostwärts an den oberen Raum anschließende quadratische Altarnische mit einer nach Süden gelegenen Chorarkade. Das auch hier leicht spitzbogig geformte Kreuzgewölbe, das – wie im Kapellenraum selbst – durch feinprofilierte Rippen wirkungsvoll betont wird, ruht auf halbrunden Ecksäulen mit ausnehmend sorgfältig gearbeitetem Kapitälschmuck von hoher künstlerischer Formgebung. Ringsherum zieht sich, eine Überleitung vom Fußboden zu den Wände bildend, ein abgestuftes Sockelgesims, das sich auch in der Arkadennische fortsetzt. Diese, ein schmaler Raum längst der Südseite der Kapelle, ist gegen die Altarnische durch zwei Rundbogen geöffnet, die in der Mitte von der sogenannten „normannischen Säule“ gestützt sind. Der Schaft dieser sowohl im Material wie in ihrer Bearbeitung fremdartig anmutenden Säule besteht aus weißgrauem Marmor, ist in schmalen Zickzackstreifen behauen und wird von einem reich mit spätromanischen Ornamentformen geschmückten Kapitäl bekrönt. Zwischen Säulenschaft und kelchförmigem Kapitäl, dessen Hauptschmuckelement die Palmette ist, liegt ein Wulstring; abgeschlossen ist das Kapitäl durch mehrfach gestufte quadratische Schmuckauflagen, die sich gegen den Säulenschaft verjüngen. Die Längsseite der Arkadennische ist durch ein langgezogenes Rundbogenfenster unterbrochen, das zusammen mit einem Rundfenster in der Mitte der Oststirnwand die Altarnische erhellt. Gegenüber der Chorarkade, an der Nordseite der Kapelle, befinden sich zwei schmale Eingänge, von denen der eine in einen kleinen Umkleideraum, der andere zur Wendeltreppe führt. Die Chorarkade, die allein durch ihre Bau- und Schmuckformen der ganzen Doppelkapelle ihre besondere, sehr eindruckvolle Betonung gibt, bot Platz für zwei thronartige Stühle, von denen aus die stafischen Kaiser mit ihren Gemahlinnen dem Gottesdienst beiwohnen konnten. Der Altar stand schräg rechts davon an der Ostwand. Vermutlich waren die Wände, nicht nur der Altarnische, sondern auch der ganzen Kapelle, bemalt und die Chorarkade sowie Altarnische mit Teppichen belegt. Heute sind sämtliche Innenwände der Doppelkapelle mit einem grobkörnigen Mörtelverputz bedeckt; Spuren der ursprünglichen Bemalung konnten trotz der in den letzten Jahrzehnten wiederholt vorgenommenen eingehenden kunstgeschichtlichen Untersuchungen und der intensiven Beschäftigung mit diesem einzigartigen mittelalterlichen Bauwerk allerdings nicht gefunden und freigelegt werden. Von den in der Doppelkapelle stehenden zwei Altären war der im oberen Raum dem Regensburger Diözesanheiligen Erhart, der im unteren Raum vermutlich dem hl. Martin geweiht. Gottesdienste wurden hier bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts abgehalten. Zur Zeit, als die Bedeutung der Kaiserburg infolge der Verpfändung Egers an Böhmen bereits im Schwinden war, stiftete der Egerer Bürger Hans Stadelmann für die Burgkapelle St. Erhart eine ewige Messe und bestimmte den Rat der Stadt zur Bestellung des Priesters (1418). Auch andere Stiftungen wurden noch bis in das 16. Jahrhundert der Burgkapelle gewidmet. Nach dem Brande von 1472, der auch auf das Dach der Doppelkapelle übergegriffen hatte, gewährte Kardinal Philipp 1475 für deren Wiederherstellung einen hunderttägigen Ablaß, wobei Andachten in der Burgkapelle am Tage St. Erhart, St. Martin, St. Ulrich, St. Ursula, zum Kirchweihfest und am Tage der Elftausend Jungfrauen vorgeschrieben waren. Mit der Einführung der lutherischen Lehre in Eger (1564) hörten dann aber die Gottesdienste in der Burgkapelle auf. Daß sie gegen Ende des 17. und im 18. Jahrhundert als Pulver- und Munitionsmagazin für die Festung Eger verwendet wurde, war im Grunde ein glücklicher Zufall: denn nur dadurch ist sie davor bewahrt worden, niedergerissen zu werden. Die Doppelkapelle als Kleinod mittelalterlicher Baukunst hat sich bis zur Gegenwart ohne nennenswerte Beeinträchtigung erhalten. Vor allem sind die in Stein gearbeiteten Ausschmückungen der beiden Kapellenräume, die Säulen mit ihren reich verzierten Kapitälen, die architektonische Steinornamentik der Gesimse, der Wand- und Ecksäulen und Gewölberippen und nicht zuletzt die Einzelheiten der Raumgestaltung in einer Weise bewahrt, wie man dies nach so vielen Jahrhunderten nur selten anzutreffen pflegt. Und doch bestand während dieser langen Zeit mehrmals die Gefahr der teilweisen und völligen Vernichtung. Solange die Kaiserburg ihrem von vorneherein gegebenen Zweck diente, wurden die Baulichkeiten auf der Burg gepflegt und instandgehalten. Als aber dann seit dem 15. Jahrhundert durch die häufigere Verpfändung der Egerer Burgpflege dem Burgpfleger wenig Anreiz gegeben war, zur Bauerhaltung größere Summen aufzuwenden, und auch die im Mittelalter bestandene Vorrangstellung der Kaiserburg infolge der allgemeinen geschichtlichen Entwicklung zusehends an Bedeutung verlor, war die glanzvolle Zeit endgültig vorbei. Kaiser Sigismund und König Georg von Podiebrad waren die letzten Regesten, die bei ihren Besuchen in Eger in den Räumen der Kaiserburg wohnten (K. Sigismund 1431, 1433 und 1437, K. Georg 1459, 1460, 1461 und 1467). Dazu kam, daß 1472 ein großer Stadtbrand auch auf die Kaiserburg übergriff, wobei aber wenigstens die Doppelkapelle gerettet werden konnte. Eine Niederschrift aus dieser Zeit schildert die Brandkatastrophe mit folgenden Worten: Das feur war so schnell als ein pfeyl von eym armbrust von eynem haus in das ander, also das die eyn(e) seit bei sant Johanns bis an das mültor gar abgeprannt ist, darzu auf den purkgraben, auch (brannte) die ganz vorburgk überlall, darzu das slos ganz und gar aus. Der thurn auf dem slos auch, und oben in der capellen hatten sie es erlescht, aber die ober sacristei hat gepronnen und meßgewand und bücher darin verdorben, und die leut sageten, das zu dreymal die glock uf dem alten slos in der capellen sich allein gelaitet hat und nymand war dabay, noch auf dem slos. Es kont auch dieselb zeit fur feur nymand hinein komen und (es) brann(te) die wehre auf der mauer ganz aus. Kurz nachher wurden die Schäden wieder ausgebessert: die Burgkapelle wurde eingedeckt und über der Wendeltreppe ein kleines Türmchen aufgesetzt, der Palas wurde durch einen Fachwerkbau aufgestockt und der Schwarze Turm bekam ein steiles, nach oben zugeschrägtes Satteldach mit vier Ecktürmchen. Die Bausummen, die dann namentlich seit dem Ende des 16. Jahrunderts für die Instandhaltung notwendig wurden, steigerten sich immer mehr, so daß allein schon daraus ersichtlich wird, wie sehr der Erhaltungszustand allmählich absank. In diese allgemeine Entwicklung war auch die Burgkapelle eingeschlossen, gar als sie seit der Einführung der Reformation nicht mehr für Gottesdienste verwendet wurde. Zur Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert wurde der Plan erwogen, die alten Baulichkeiten der Kaiserburg wegzureißen und auf dem gewonnenen Bauplatz ein geräumiges Zeughaus für die Festung Eger aufzurichten. Die jahrelangen Verhandlungen um dieses Bauprojekt wurden dann aber durch die Anordnung Kaiser Leopolds vom 7. April 1702 dahingehend abgeschlossen, daß das Palasgebäude zum Zeughaus und die Doppelkapelle zum Pulver- und Munitionsmagazin bestimmt wurden. Damit waren beide Bauwerke vor der Abtragung gerettet. In der Biedermeierzeit war dann die Doppelkapelle nochmals in ihrem Bestand ernstlich gefährdet, als man die verrückte Idee erwog, das schöne Bauwerk abzutragen und als Sehenswürdigkeit in dem neu erstehenden Kurort Franzensbad wieder aufzustellen. Allein dem Umstande, daß das erforderliche Geld für Abbruch und Wiederaufbau, sowie zur weiteren Erhaltung am geplanten neuen Ort nicht aufzutreiben war, verdankt die Doppelkapelle ihren Bestand bis zur Gegenwart.

(Sturm 1952, 73-85)
Mehr anzeigen
cg102/Kunst 1992

Die Doppelkapelle Die Doppelkapelle ist das bedeutendste und glücklicherweise am besten erhaltene Bauwerk der Kaiserpfalz Eger. Als zweigeschossiger Bau mit zwei übereinanderliegenden, kultisch selbständigen Kapellenräumen, die durch eine Öffnung räumlich und liturgisch kommunizieren, stellt sie einen Sondertypus der Herrschaftskapelle dar, der aus dem Wunsch hervorging, getrennte Andachtsräume für Kaiser und Volk zu schaffen. Dieser Typus ist fast ausschließlich in Deutschland zu finden, wo ihn die berühmte Palastkapelle Karls des Großen in Aachen in ihrer theokratischen Grundidee vom Gottesgnadentum kaiserlicher Macht im weitesten Sinne vorprägte. Im nachkarolingischen Kirchenbau wurde diese Idee in Übernahme byzantinischer Baugedanken formal weiterentwickelt, um dann in der feudalistischen Burganlage als Spiegel der hierarchischen Ordnung übernommen und zu einer spezifischen Form weiterentwickelt zu werden. O. Schürer zeigt in einer monographischen Arbeit die Entwicklung dieses Sondertypus auf. Als erstes erhaltenes Beispiel einer formal ausgereiften Doppelkapelle beschreibt er St. Godehard in Mainz, das um 1135 erbaut wurde. Zeitlich vor der Egerer Kapelle entstanden danach noch die Doppelkapellen in Schwarzrheindorf (aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts) und auf Burg Landsberg bei Halle, die vor 1200 als erstes Beispiel im beengten Bering einer Höhenburg erbaut wurde, sowie in der Stauferpfalz Nürnberg (kurz vor 1200). Die den Heiligen Erhard und Martin geweihte Doppelkapelle in Eger gliedert sich in zwei quadratische Vierstützenräume von 3 x 3 Jochen auf annähernd quadratischen Grundrissen, die nur im Stützengeviert leicht variieren. Dieses bildet unten ein in die Querachse gezogenes Rechteck, während es oben um weniges zum Quadrat verschoben ist. Beide Räume haben einen hallenförmigen Querschnitt und sind mit einem eigenen Altarraum versehen, hatten ursprünglich auch getrennte Zugänge. Die hierarchische Funktion der beiden Kapellen wird bereits beim ersten Blick manifest: Das Untergeschoß für das Hofgesinde, etwas unter Bodenniveau liegend, wirkt unter wuchtigen Kreuzgratgewölben auf gedrungenen Granitsäulen archaisch schwer, während das Obergeschoß für den Kaiser und seinen Hofstaat auf edlen weißen Marmorsäulen als leichter Skelettbau mit vollständigem Gerüst hoch aufgeht, geschmückt mit reicher Architekturplastik. Die beiden Zentralräume sind durch eine Öffnung im Stützengeviert des Mitteljochs räumlich und liturgisch verbunden. Die jeweils etwas höher gesetzten quadratischen Chöre öffnen sich durch enge Triumphbögen. Sie werden von schmalen, tonnengewölbten Seitenräumen begleitet, wobei der südlich des Oberchores liegende Raum durch die weite Öffnung der Wand in Form einer Doppelarkade in den Chorraum mit einbezogen wird. Die feine Behandlung dieser Arkade und ihre besonders reich ausgestattete Mittelsäule mit doppelt spiralig kanneliertem Schaft weist diesen Raum als Privatoratorium des Herrschers aus. Sein Thron muß direkt unter einem der baldachinartigen, tiefen Arkadenbögen gestanden haben. Bis in staufische Zeit war es üblich, daß der König einen festen Thronsitz in seinen Pfalzkapellen wie auch in den Bischofskirchen und in manchen Klosterkirchen vorfand, der dem Vorbild des Aachener Thrones Karls des Großen entsprach. Der vom Palas isolierte, kubisch geschlossene Außenbau läßt nur wenig von der differenzierten Einteilung des Inneren ahnen: Ohne konstruktiven Grund sind die quadratischen Chöre durch ihre Nebenräume unauffällig in den Kubus miteinbezogen. Dadurch erhält der Bau etwas turmartig Blockhaftes, was ganz dem Bauideal südlicher Stauferpfalzen wie auch dem Turmcharakter mancher deutschen Burgkapelle entspricht. Um dieses blockhaften Ideales willen verhehlt der Außenbau weitgehend die Geschoßteilung des Inneren, verzichtet auf horizontale Gesimse und den obligatorischen Rundbogenfries, der die Lisenen als tragende Glieder erscheinen ließe. Diese sind vielmehr als feines, weichprofiliertes Rahmengefüge rings um den Bau gelegt, das oben und unten in schlichte Bandfriese einmündet und, betont durch den rötlich-gelben Granithaustein, die urwüchsige Kraft des Bruchsteinmauerwerkes aus grauem Schiefer optisch zusammenhält, ohne die Wuchtigkeit der Mauer aufzulösen. Durch dieses gleichmäßige Unterteilen der Wände in jeweils drei beziehungsweise vier schmale Mauerstreifen wird der Bau als geschlossener, kubischer Raumkörper aufgefaßt, der sich nach allen Seiten richtet und nicht, wie in der südlichen Baukunst üblich, eine Schaufassade ausbildet. Diese Allansichtigkeit ist ein häufiges Stilmerkmal der deutschen Romanik, das hier allerdings mit Hilfe eines Formelementes realisiert wird, in dem O. Schürer die Baugesinnung der Antike erkannte: die Verwendung der Lisenen als nichttragendes, dekoratives Teil. Es ist in Deutschland nur in wenigen Stauferbauten (Goslar, Kaufungen, Halle, Andlau, St. Thomas in Straßburg) als Element des Außenbaus zu finden, taucht jedoch in Südfrankreich und Italien häufiger auf. Will man daraus Schlüsse auf Stilzusammenhänge ziehen, so ist allerdings zu bedenken, daß der ursprüngliche Bau, wie die meisten romanischen Bauwerke, mit Sicherheit verputzt und reich bemalt war. Dafür spricht ganz offensichtlich die erstaunlich unregelmäßige Einmauerung der behauenen Lisenensteine in die Bruchsteinwand, im Gegensatz zu dem exakten Abschluß der Fenster- und Türrahmen. Wir müssen also mit einer möglicherweise gemalten horizontalen Gliederung rechnen. Ein weiteres nicht erhaltenes Horizontalelement war die Galerie, die, wie wir sahen, in 3 m Höhe, in der Mitte der Westwand, vom Palas zum oberen Kapelleneingang geführt hatte. Dieser Eingang ist durch einen rundbogigen Rahmen mit aufgesetztem kämpferlosem Laibungsprofil in nuancierter Abstufung als Herrschaftsportal ausgewiesen. Leider wurde er 1818 aus konservatorischen Gründen bis zur Hälfte vermauert. Es entspricht der Allansichtigkeit des Außenbaus, daß sich der Eingang zum Untergeschoß um die Ecke an der Südseite befindet, seit der Barockaufschüttung des Burghofes etwas unter Bodenniveau. Das Portal ist tief in die Mauer eingesetzt und durch einen kräftigen Rundstab gerahmt, der sich aus dünnen Schaftringen über den vorkragenden Wandsockel erhebt und ohne Unterbrechung in das Halbrund der Archivolte übergeht. Ihm entspricht im segmentbogenförmig vertieften Tympanon ein dünnerer Stab, der im Scheitel durch ein schlichtes Kreuz unterbrochen wird. Wir haben also eine Folge von Rundbogenabstufungen, deren innerste sich zum Weihesymbol öffnet. Das Portal ist dergestalt zwischen zwei Wandlisenen eingespannt, daß diese einen zusätzlichen seitlichen Rahmungseffekt ausmachen. Ohne Rücksicht auf die sauber geführte Linie des Portalbogens zu nehmen, kragen zwei Konsolsteine rechts und links in die obere Bogenstirn ein, was Jonas in seinem Grabungsbefund bestätigte, die hierdurch abgestützte Galerie erst in spätere Zeit zu datieren. Neben den unterschiedlichen Eingängen lassen am Außenbau nur die Fenster die hierarchische Gliederung der Kapelle erahnen. Sie sind, wie es an romanischen Bauten nicht unüblich ist, ohne Rücksicht auf die regelmäßige Lisenengliederung der Außenwände nur gemäß der Innenraumkonzeption aufgeteilt und entsprechen sich oben und unten weitgehend in den Achsen und Grundformen. Dabei ist die Nordseite bis auf ein kleines Fenster zur unteren Sakristei fensterlos, da hier der nahe Palas das Licht nahm. An der südlichen Längsseite dagegen reihen sich oben drei hohe, schmale Rundbogenfenster in einheitlicher Größe und Höhe aneinander und lassen durch ihre schlanken Proportionen schon die feine Raumgliederung der Oberkapelle ahnen. Die Laibung der beiden östlichen Fenster ist sehr schlicht nur mit einer leichten Kehle an der Bogenstirn verziert, während das westliche durch ein sehr differenziertes, ringsum laufendes Profil und durch eine Verkleidung mit weißem Marmor ausgezeichnet ist. So bietet es dem darunterliegenden Portal einen dominierenden Gegenpart und ist gleichzeitig nach innen als das zentrale Fenster des südlichen Mitteljochs hervorgehoben und in Beziehung zum Mittelfenster und zum Portal der Westseite gestellt. Das östliche Fenster setzt sich etwas von den anderen ab, so daß die innere Zweiteilung in Laienraum und Chorraum beziehungsweise Herrschaftsoratorium transparent wird. Im Gegensatz zu dieser akzentuierten, aber dennoch niveaugleichen Reihe sind die kleinen Fensteröffnungen unten entsprechend der Innenaufteilung in unterschiedlicher Höhe in die Wand gesetzt. Sie liegen extrem niedrig, nur knapp über dem Sockelgesims, so daß eine breite, fensterlose Mauerfläche zwischen den Geschossen verbleibt. An Laibung und Sohlbank sind sie so stark angeschrägt, daß nur ganz schmale Lichtschlitze übrigbleiben, die durch einen dünnen, umlaufenden Rundstab verziert werden. Es ist dies der einzige Schmuck der unteren Fenster, die sich unscheinbar in die Mauerfläche fügen, wenngleich sie mit ihren sehr sorgfältig und gleichmäßig behauenen Graniteinfassungen die heute rohe Bruchsteinwand veredeln. Das gilt auch für das kleine, sich trichterförmig verengende Rundfenster an der Westseite, dem vermutlich ein Gegenstück im Osten entsprochen hatte, bevor die Gotik hier ein dreiteiliges Spitzbogenfenster ausbrach. Im ganzen gesehen sind die Fenster der Unterkapelle Äußerungen einer Substruktionsarchitektur, die zum Teil unter der ehemals hier verlaufenden Holzgalerie verschwand. Anders im Obergeschoß, wo die plastischen Fensterprofile die Wände im Zusammenklang mit den Lisenen rhythmisieren und schmücken: Da leuchten hoch oben an den Schmalseiten marmorne Rundfenster aus dem Mauerwerk, an der Westwand belebt durch den Wechsel von weißem und rötlichem Material innerhalb der radial ausstrahlenden Werksteine und an den Laibungsrändern innen und außen durch ein eigenartiges Zahnschnittornament mit eingelegtem Rundstab verziert, wie es vergleichbar in Norditalien und Frankreich zu finden ist. An der von außen weithin sichtbaren Ostwand wird das Rundfenster durch einen wellenartigen Rahmen zur Sechspaßrosette, deren steile Laibung sich zu den Rändern hin in einem zierlichen Rippenprofil abstuft. So klingt das hierarchische Element der Doppelkapelle am Außenbau schon an in Material, Form, Differenziertheit und Größe. Im Inneren aber lebt es sich dann virtuos aus und übersteigt das Maß des in anderen Doppelkapellen Üblichen bei weitem, zumal hier die traditionelle liturgisch-praktische Zweiteilung in Herrschafts- und Gesindekapitelle um einen dritten Raum zur Dreiheit erweitert ist, um den Kaiser nochmals von seinem Hofstaat zu distanzieren. Darüber hinaus wird der formale Kontrast von unten und oben nicht nur durch verschiedene Materialien und Proportionen sowie durch eine unterschiedlich reiche skulpturale Ausstattung hervorgerufen, sondern zusätzlich durch eine stilistisch grundverschiedene Raumauffassung, bei der am Wendepunkt zweier Epochen neuer Formenschatz ganz gezielt inhaltlich eingesetzt wird: So ist die Unterkapelle ein rein romanischer Raum, beherrscht von kraftvoller Ruhe und archaischer Schlichtheit, dessen Kreuzgratgewölbe ohne Schild- und Gurtbögen, ohne Auflagen wie aus der Mauermasse geschnitten erscheint und mit hohen, kräftigen Kämpfern schwer auf vier massiven Säulenschäften mit gedrückten Blockwürfelkapitellen lastet. Dagegen ist die wesentlich höhere Oberkapelle bestimmt von spätzeitlicher Formenvielfalt. Hier erhebt sich der leichte, hohe Skelettbau der Gotik, der die Mauer zwischen ein Gerüst aus drahtigen Diensten und Gewölberippen auf schlanken Säulen spannt. Sechs Stufen tief steigt man hinab in den Unterraum, den die schmalen, hochgelegenen Fensterschlitze vor der gotischen Vergrößerung des Ostfensters nur spärlich beleuchtet hatten. Die Hauptlichtquelle war das kaiserliche Obergeschoß, dessen Helligkeit senkrecht von oben durch das geöffnete Mitteljoch einfällt und die das Volk vertretende Gemeinde des niederen Hofstaates im doppelten Sinne des Wortes erleuchtete: Dem Volk wurde die Gnade des göttlichen Lichtes indirekt durch die kaiserliche Präsenz zuteil. So sieht sich der von Süden Eintretende, dem sich der Raum zunächst als Querraum darbietet, als erstes angehalten, nach oben zu blicken, wo sich über der Raummitte das Gewölbe wie zu einer hohen Tambourkuppel öffnet. Ecktrompen wandeln die leicht querrechteckige Öffnung zum Oktogon und bereiten bereits das fluktuierende Raumerlebnis des Oberraumes vor, das sich dem Untenstehenden wie eine lichte Offenbarung auftut. Erst der zweite Blick führt weg vom Raumzentrum in die Längsachse, Richtung Osten, wo sich ein schmalerTriumphbogen zum quadratischen, etwas höher liegenden Chor öffnet. Auch hier ist eine gewisse Steigerung zu leichteren Architekturformen bemerkbar, da das Kreuzgratgewölbe bereits auf Halbsäulen in den Raumecken aufsitzt und das Gewölbe des Andachtsraumes an Höhe übersteigt. Die Verbindung beider Räume geschieht über zwei Stufen durch einen einfach getreppten, unverzierten Rundbogen, der von beiden Räumen her durch ein profiliertes Sockelband, das sich um seine Laibung verkröpft, fest in die Trennwand eingebunden ist. Da die übrigen Wände ohne Untergliederung direkt aus dem Boden aufsteigen, bedingt dieses Sockelband eine besondere Hervorhebung der Ostwand, die durch den wuchtigen Chorbogenkämpfer noch verstärkt wird. Dieser bricht jedoch, im Gegensatz zum Sockel, abrupt mit der Rückwand ab. Zwei unscheinbare Portale öffnen den Chor seitlich zu zwei Annexräumen, deren südlicher die Sakristei gewesen sein muß, während sich im nördlichen vermutlich ein Treppenaufgang zum Obergeschoß befunden hat, der nur dem Geistlichen vorbehalten war. Er ist nicht erhalten, jedoch führt noch heute vom darüberliegenden Nebenraum aus eine Treppe in ein kleines beheizbares Zimmer im Zwischengeschoß zum Speicher, dessen ursprüngliche Funktion wir nicht kennen. Die Haupträume waren ehemals nicht durch eine Treppe verbunden, denn O. Schürer und Jonas wiesen anhand von Mauerbefunden nach, daß der heutige, einmal gewendelte Treppenaufgang an der Nordwestecke erst später, aber vermutlich noch in mittelalterlicher Zeit, eingefügt worden sein muß, wobei man den Eckdienst des Obergeschosses offensichtlich durch eine Konsole abstützte, die man an anderer Stelle entnommen haben muß, da sie stilistisch der Bauzeit angehört. Heute ist dieserTreppenlauf der einzige Zugang zum Obergeschoß, da das Westportal 1818 vermauert wurde. Ehemals war der offizielle Zugang zur Oberkapelle nur vom Hauptgeschoß des Palas aus über die Galerie möglich, deren Niveau etwas unterhalb dem der Oberkapelle lag, so daß ein Treppenpodest anzunehmen ist, das zum Portal hinaufführte und dahinter wieder hinunter zur weiterführenden Galerie. Dem hier von Westen aus Eintretenden bot sich der hohe, fluktuierende Hallenraum als gerichteter Längsraum dar, da sich ihm in gerader Achse der höhergelegene Ostchor durch einen spitzbogigen Triumphbogen anschließt. Doch den Weg zum Altar sperrt das quergelagerte Oktogon des geöffneten Mitteljochs, das dunkel und mauerfest den Unterraum spürbar macht, während gleichzeitig die fast filigrane Schlankheit der vier im perfekten Quadrat um die Öffnung gruppierten Monolithsäulen den Blick nach oben leitet ins Gewölbe. So ergibt sich auch hier, wie im unteren Raum, eine Spannung zwischen horizontalen und vertikalen Achsen als Spiegel kirchlich-sakramentaler und monarchischtheokratischer Hierarchie. Dabei wird durch die Überlagerung der queroblongen Öffnung mit dem zentralisierenden Säulenquadrat die geometrisch noch unschematisierte Archaik des Unterraumes in das regelmäßige Jochsystem des Oberraumes kontrastierend eingebracht, so daß die Hierarchie der in der Kirche versammelten Gesellschaft auch in der horizontalen Achse erlebbar wird. Ihre Steigerung erfährt diese bedeutungsmäßige Abstufung dann im Osten, wo sich dem sakralen Raum das kaiserliche Oratorium im Süden verbindet, so daß nun die kirchlich-sakramentale mit der monarchisch-theokratischen Hierarchievorstellung zur Deckung kommt. Die Einheit staatlichen und kirchlichen Lebens wird damit betont demonstriert, so wie sie den Kirchenbau als selbstverständliche Dimension seit frühchristlicher Zeit bestimmte: Dem Kaiser kam von jeher die Vertretung Gottes auf Erden zu, so daß er dem Kirchenbau die Hoheitszeichen seiner Herrscherwürde auf Erden lieh. Als in der späten Salierzeit diese kirchliche Macht des Kaisers ins Wanken geriet, als die Selbstverständlichkeit seiner doppelten Macht schwand, wurde es nötig, sie um so deutlicher zu demonstrieren. So pflegte sich Friedrich Barbarossa bei Festkrönungen dem Volke sichtbar mit den Heiligtümern des Reiches darzustellen als den göttlichen Zeichen seiner Herrscherwürde. Entsprechend war dem Kaiser in der Egerer Doppelkapelle der Sakralraum, der möglicherweise gleichzeitig Aufbewahrungsort der Reichskleinodien war, als kirchliches Hoheitszeichen zugeordnet, entsprechend saß er demonstrativ auf gleicher Ebene in nächster Nähe des Allerheiligsten und mit ihm zudem durch einen gemeinsamen Triumphbogen vom Profanraum abgetrennt. Damit grenzte sich der Kaiser als Gottgesalbter von seinen Fürsten ab, wurde sein höherer Rang als von Gott gegeben legitimiert. Gleichzeitig stellte er sich in seinem Anspruch auf theokratische Führung auf gleiche Stufe mit der kirchlichen Macht. Die Allmacht Gottes wurde dabei jedoch nicht angetastet. Der Kaiser sah sich nicht mehr als Vertreter Gottes, wie das noch Karl der Große tat, sondern betrachtete seine Herrschaft als von Gott eingesetzt. In diesem Sinne war sein Platz in engem Zusammenhang mit dem Göttlichen zurückgestuft und aus der Blickachse gerückt, so daß er an dem Hoheitsmotiv des Triumphbogens nur indireken Anteil hatte. Denn erst nachdem man das geöffnete Mitteljoch auf der nördlichen Seite umrundet hat, wird das Oratorium des Kaisers sichtbar, wobei aus dieser Sicht gleichzeitig der Blick zum Altar durch die Stirnwand des schmalen Triumphbogens verstellt ist. Das heißt, der Kaiser maßte sich nicht die optische Gleichsetzung mit dem Allerheiligsten an. Diese optische Entrückung scheint uns gleichzeitig auch etwas über die Gruppierung der Anwesenden im Profanraum auszusagen. Denn tatsächlich war der Kaiser, nachdem er durch den Triumphbogen dem Blick der Allgemeinheit entschwunden war, nur mehr für eine sehr kleine, offensichtlich privilegierte Gruppe sichtbar präsent. Auch der Blick in den Unterraum stand nur einem Teil der hier wie auf einer Galerie ringförmig Versammelten offen, sinnbildlich für ihre Aufgabe, nach unten auf das Volk zu wirken. Daraus läßt sich schließen, daß die Plazierung der einzelnen Würdenträger im Raum ganz bewußt deren Rang und Aufgabenbereich entsprochen haben wird. Da die verschiedenen Blick- und Bedeutungsachsen jeweils nur Teile des kaiserlichen Machtsystems betrafen, erschloß es sich in seiner komplexen Einheit nur der ideellen Gesamtheit der Versammelten. Die räumliche Trennung des göttlich-weltlichen Machtbereiches vom profanen Raum des Hofstaates ist, wie erwähnt, durch den hohen, spitzen Triumphbogen in der Chortrennwand gegeben. Dieser ist als ein imaginäres Portal axial in direkter Entsprechung zum Eingangsportal zu sehen und versteht sich aus dieser Sicht dominant als sakrale Öffnung, da die Einsicht in die Einheit Gott-Kaiser, wie wir sahen, beschränkt war. Als solches ist er zu dem eigentlichen Herrschaftsportal der Westwand in vielfältigen Bezug gesetzt, um durch eine formale Steigerung die alles überstrahlende Allmacht des Göttlichen nochmals zu verdeutlichen. Portal und Triumphbogen entsprechen einander durch die Stufen, die man zu beiden hinaufzusteigen hat, wie auch durch die jeweilige Koppelung mit einem Rundfenster, das im Osten als kunstvolle Rosette eine Steigerung erfährt. Es ist das räumlich entfernte Chorfenster, das durch den Triumphbogen hindurch in dessen Mitte zu sehen ist und so in optischer Einheit mit ihm erscheint. Die formale Erhöhung des Chorbogens ist nun in vielfältigen Details ganz bewußt kontrastreich gestaltet. Das geht so weit, daß das Westportal um des beabsichtigten Kontrastes willen in seiner Grundform einfacher gestaltet ist als selbst das Portal zur Unterkapelle, von dem es sich jedoch durch das edlere Material und einen außen angesetzten Profilstab subtil abhebt. Das geht auch so weit, daß die Chorbogenwand bewußt dicker gemauert ist als die Außenwand, ja selbst dicker als die entsprechende Trennwand des massiveren Untergeschosses, um in diese Mauerstärke die Stufen eines repräsentativen Säulengewändes setzen zu können, das sich abhebt von dem stufenlosen Westportal. Dieses ist auffallend niedrig mit rundem Bogen so in die Wand gesetzt, daß erst nach einer glatten, senkrecht geführten Laibung bis zur Mitte der Mauerstärke eine gerade Abstufung als Türrahmen einkragt, die sich zum Innenraum hin wieder schräg öffnet. Diese Einziehung ist ohne Unterbrechung über den Bogen hinweg weitergeführt. Die Tür scheint also die ganze Öffnung eingenommen zu haben. Nach innen ergibt sich eine Laibungsschräge, so daß sich das Portal zum Raum hin weitet. Der Triumphbogen verhält sich bezüglich der Achsenrichtung entgegengesetzt, indem auch er sich zum Profanraum öffnet, zum Chor hin aber verengt. Dadurch ergibt sich ein raumschließendes Element, das der gerade verlaufenden Achsenbewegung eine um das Mitteljoch kreisende Raumbewegung überlagert und dadurch den Zentralraumcharakter verstärkt. Im Triumphbogen sind nun die dominierenden architektonischen Zier- und Hoheitselemente des Raumes vereint. In überaus schlanker Gestrecktheit öffnet er nahezu die ganze Höhe des Wandjochs und schließt oben entsprechend den Gewölbegurten mit einem hohen Spitzbogen ab, der sich, der engen Öffnung wegen, noch steiler erhebt als diese. An seinem einfach getreppten Gewände fügen sich unterschiedlich kräftige Halbsäulen als Träger des dominanten Raumthemas mit eigenen Basen und figurierten Kapitellen dicht in Treppung und Kanten, so daß eine rhythmisch gestufte Reihe entsteht, der auf der dem Chor zugewandten Seite nach einer glatten Pfeilerwand nur ein schlichter Viertelstab entspricht, der tief in die senkrecht eingeschnittene Rahmenkante gesetzt ist. Dem Zentralraum zu sind der Gewändereihe zwei das Schiffsgewölbe stützende Halbsäulendienste angefügt. Sie werden durch größere, reichere Kapitelle von farblich abgesetztem Material hervorgehoben und gleichzeitig durch ein durchlaufendes, im Zickzack verkröpftes Kämpferfries mit dem Gewände verbunden, so daß sie ihm einen dominanten Abschluß geben und den Richtungsakzent in das Schiff verlagern. Da der Kämpferfries mit dem Gewölbedienst abbricht, steht der Triumphbogen jedoch isoliert in der Wand und gibt sich damit als dem sakralen Bereich des Chores zugehörig zu erkennen, den die Gewölbedienste mit der „Himmelszone“ des Schiffes verbinden. Entsprechend bindet der Kämpferfries das Gewände auf der Chorseite in die Wand, indem er sich hier bis zum anschließenden Eckdienst weiterzieht und darüber hinaus bis zum Arkadenbogen des seitlich angrenzenden Kaiseroratoriums, das er auf diese Weise dem Triumphbogen zuordnet. Ähnlich verhält sich das Sockelgesims: Obgleich sich das Gewände über den Treppenstufen zum höher gelegenen Chor erhebt, bleiben die Säulen einschließlich der Gewölbedienste des Schiffes einheitlich auf dem Niveau des Chores, wo sie sich auf zierlichen Basen über dem durchlaufenden Chorsockelband erheben und sich somit eindeutig als Teil des Chores zu erkennen geben. Dabei werden die Niveauunterschiede zum Schiff beziehungsweise zu denTreppenstufen durch hohe, unverzierte Sockelsteine ausgeglichen. Sie sind als tragender Unterbau dem Profanraum zugeordnet und seitlich in dessen Wandsockelgesims eingebunden, das sich hier elegant von beiden Seiten auf das höhere Niveau hinaufschwingt. Der Triumphbogen als Teil des Sakralraumes ist damit oben und unten subtil mit dem Profanraum verspannt und in sinnreiche Beziehung gesetzt. Dabei verlagert sich der Bedeutungsakzent der Kapelle durch die dominanten Gewölbedienste entgegengesetzt der von der Raumachse vorgegebenen Bewegungsrichtung zum Schiff hin; das heißt, dem Profanraum wird im Verhältnis zum Sakralraum bereits eine gewisse Eigenbedeutung zuerkannt, während er in der Unterkapelle noch eindeutig auf den Chor zu orientiert ist. Diese beginnende Autonomie erwächst auch aus der kreisenden Eigenbewegung des Zentralraumes, die von der gerichteten Achsenbewegung überlagert wird. Gleichzeitig wird diesem eigenständigen Raum indirekte Erhellung aus dem Sakralen zuteil: Genau in der Mitte des Triumphbogens erscheint die Fensterrose der Ostwand als Spender „göttlichen“ Lichtes, das sich, geleitet durch das weit auseinanderweichende Gewände, im Profanraum verbreitet und dessen von Süden und Westen einfallendes, kreisendes Eigenlicht vielfach durchbricht. Doch vorher, auf seinem Weg durch den Chor, verbindet sich mit ihm das indirekt von der Seite her einfallende, aber kräftig strahlende Südlicht des Kaiserraumes. So hatte der Kaiser sinnfällig teil an der christlichen Erleuchtung, wurde sein Glanz auf indirekte Weise eins mit dem Göttlichen. Diese Lichtbewegung im Profanraum begleitet die Akzentuierung des Triumphbogengewändes in Richtung Schiff und macht somit auch dessen Aussage verständlich: Seine Öffnung leitet göttliches Licht in den profanen Raum, so daß diesem gewissermaßen durch göttliche Gnade eine Eigenwertigkeit zukommt, die die absolute Gottesherrschaft der romanischen Welt reduzierte. In der Unterkapelle dagegen, wo der Bewegungsstrom zum Göttlichen, das hier in Chor und Gewölbeöffnung zweifach präsent ist, noch ungebrochen fließt, überwältigt die Wucht der Gewölbe und die machtvolle Kraft der Mauer den Betenden und zwingt ihn in die Knie. Hier oben aber wächst ein autonomer Herrschaftsraum hoch auf, fordert auf zum Einfühlen in Rippen und Dienste, nimmt den Menschen in seinen Proportionen auf, um ihm das Himmlische bereits sinnlich erfahrbar zu machen, wie es die Lichtbauten der Gotik dann in ihrer übersinnlichen Erscheinung zur Vollendung brachten. So bot sich in dieser Kapelle dem weltlichen und geistlichen Adel des Landes bereits die Möglichkeit zu eigener spiritueller Gotterfahrung; ein vergleichsweise autonomes Selbstverständnis, das einem langsamen Wandel im Weltbild der Stauferzeit entspricht. Jetzt kam der Mensch, zunächst beschränkt auf die privilegierten Kreise, nach und nach zu einer bewußteren Gotterfahrung, wobei die auf diese Weise reduzierte Distanz zum Göttlichen auf andere, subtilere Weise wieder eingesetzt wurde. Das wird im Triumphbogen der Oberkapelle auf erstaunliche Weise architektonisch manifest: Es fiel uns auf, daß im Vergleich zur wuchtigeren Unterkapelle die Chorzwischenwand, und somit die Triumphbogenlaibung, dicker ist, das heißt, daß sich der Abstand beider Räume zueinander vergrößert, wobei man in Kauf nahm, daß der Chor dadurch seine unten quadratische Grundform verliert. Zudem ist der Bogen trotz seiner größeren Höhe schmaler gesetzt, die Öffnung weiter eingeschnürt. In diesem Sinn steht der Triumphbogen in der Oberkapelle als gleichzeitig verbindendes und distanzierendes Element zwischen menschlichem und göttlichem Bereich, ohne die Absolutheit des Göttlichen in Frage zu stellen. Der Kaiser war an dieser Wechselbeziehung nur indirekt über das Licht beteiligt. Seinem Bereich kommt mehr die trennende Wand zu als der Bogen, obgleich ihm dieser, wie wir sahen, durch das Kämpferfries verbunden ist. Stilistisch gehört der Triumphbogen bereits dem gotischen Typus des Säulenportals an, wobei sich jedoch die Halbsäulen noch in romanischer Bindung zur Wand befinden, mit der sie so weit verschmelzen, daß der kantige Mauerkern zwischen ihnen sichtbar bleibt. Die Archivolten führen einheitlich das Profil des Gewändes um den spitzen Bogen herum weiter. Der Chorraum selbst ist durch ein hohes, weites Kreuzrippengewölbe mit spitzen Schildbögen überwölbt, das zwischen zierliche, halbrunde Eckdienste gespannt ist. Ihre Basen werden durch ein umlaufendes Sockelband in die Wand eingebunden. Die Pracht dieses Raumes rührte ursprünglich wohl von einer reichen Ausstattung mit Wandbehängen, Wandmalereien, Glasmalerei, einem Meßtisch und wertvollen sakralen Geräten her. Seine südliche Seitenwand öffnet sich bis auf zwei schmale Wandpfeiler fast ganz in einer Doppelarkade zum nur wenig tiefen, von einer Quertonne überwölbten Kaiseroratorium. Eine schlanke Monolithsäule stützt zwei leicht gestelzte Rundbögen, die seitlich auf dem vom Triumphbogen herübergeleiteten Kämpferband aufsitzen. Sie bezieht sich als fünfte Freisäule der Kapelle ideell auf die Säulen im Schiff, übertrifft diese aber in der skulpturalen Behandlung von Kämpfer, Kapitell, Schaft und Base bei weitem. Ihr auffallendstes Element ist der im Zickzack kannelierte Schaft, der das Licht des direkt dahinterliegenden Fensters vielfach bricht. Dadurch zeichnet diese Säule das Kaiseroratorium an Pracht vor dem Raum der Würdenträger aus und nobilitiert gleichzeitig den Sakralraum durch kaiserlichen Glanz. Mit ihm ist das Oratorium über ein durchlaufendes, um die Wandpfeiler verkröpftes Sockelband und durch das von der Arkade bis zum nächsten Eckdienst beziehungsweise bis zum Triumphbogen durchgezogene Kämpferfries eng verbunden. Diese Verbindung ist durch das gleiche Niveau und die weite Wandöffnung wiederum bewußt im Kontrast zum stärker distanzierten Laienraum zu sehen. Doch in dem Sinne, wie der Kaiserraum aus der kirchlich-sakralen Achse gerückt ist, ist er dem göttlichen Raum gegenüber in den strukturtragenden, architektonischen Formen zurückgestuft, vermittelt Glanz nur im Dekorativen. Dafür sprechen der schmale Grundriß, das archaische Tonnengewölbe und auch die im Gegensatz zum spitzbogigen Triumphbogen – dem sakralen Hoheitsmotiv – von konservativen gestelzten Rundbögen überwölbte Doppelarkade. Oder handelt es sich hier um ein Traditionsmotiv, das nun, als dem Kaiser zugehörig, mit dem AachenerThronraum Karls des Großen, des ersten Kaisers der abendländischen Christenheit, die Antike zitiert? In Aachen, seiner Hauptresidenz, hatte Karl der Große einen Bau geschaffen, der programmatisch die Erneuerung der Antike und ihres Imperiums aus dem Geist des Christentums sichtbar machte durch direkte Architekturzitate und Verwendung antiker Spolien. DerThron, als das Herzstück dieser Pfalz, war als Symbol für das Gottesgnadentum kaiserlicher Macht besonders den staufischen Kaisern in ihrem theokratischen Selbstverständnis als Vorbild verbindlich. Von der Rolle, die den karolingischen Pfalzkapellen als typologischen Vorbildern der Doppelkapelle zukam, haben wir ja schon gesprochen. Wie begründet dieser Zusammenhang ist, erweist sich bei Betrachtung des Säulenschaftes zwischen den beiden Herrschaftsarkaden, dessen auffällige Verzierung eindeutig italienische Motive voraussetzt. Die Legende sah darin ein Beutestück, das Barbarossa als Spolie aus dem heiligen Krieg hier eingebracht habe. Dafür gibt es keine Beweise. Tatsächlich scheint der Spoliencharakter aber ein beabsichtigter gewesen sein in bezug auf die römischen Spolien der Aachener Pfalzkapelle. Da Base und Kapitell der Säule, wie wir sehen werden, stilistisch der übrigen Bauplastik entsprechen, muß es sich um ein beabsichtigtes Zitat gehandelt haben. Dafür spricht auch der eingezogene Abakus, der in der Egerer Doppelkapelle die auffallende Ausnahme ist, in Aachen aber als antikisches Stilelement vorherrscht. In Eger ist er zu einer typisch spätgotischen Behäbigkeit verwandelt. Über diesen Zusammenhang hinaus sind die runden Arkadenbögen mit ihren extrem tiefen Laibungen auch als Baldachinmotiv für die Throne des Kaiserpaares anzusehen. In differenziertester räumlicher Beziehung und formaler Abstufung zum omnipräsenten göttlichen Bereich wird die Kapelle somit zum Spiegel der komplexen hierarchischen Struktur des staufischen Gottesgnadentums. Die Einsicht, daß es sich dabei um die zentrale liturgische Funktion der Kapelle handelt, ist das architektonische Hauptthema des oberen Hallenraumes. Da sich hier der Kreuzmittelpunkt zwischen der beschriebenen horizontalen und der vertikalen Achse als Träger der hierarchischsakralen Aussage genau mit dem Raumzentrum deckt, verbindet er sich so dem traditionellen Zentralraumgedanken, der üblicherweise das liturgische Ereignis in den Mittelpunkt stellt (Mausoleen, Taufkapellen, Märtyrerkirchen). Dem entspricht die Dominanz der weißen Marmorsäulen im Raum, die sich analog dem Taufkapellentypus wie die Stützen eines Baldachins um die Bodenöffnung reihen. Durch ihre überhohen Sockel, die sich gegen den durchlaufenden niedrigen Wandsockelfries abheben, und durch die herausragende Dekoration ihrer Kapitelle scheinen sie frei in den Raum gestellt zu sein. Dabei sind sie untereinander durch die abwechselnd runden und polygonalen Schäfte, durch die Thematik und die ornamentale Behandlung ihrer Kapitelle und durch die Profile ihrer Deckplatten in horizontaler und diagonaler Richtung eng versponnen, so daß sie eine Raumeinheit zwischen sich markieren und ausgrenzen, die sich nicht nur faktisch als unbetretbar erweist. Dies ist ein ideeller geistiger Raum, in dem sich Achsen kirchlicher und weltlicher Hierarchie vereinen. Doch oben in der Gewölbezone, in Höhe des einfallenden Lichtes, neutralisiert sich die Verspannung dieses Joches, anstatt sich, wie erwartet, durch einen Baldachin zu verfestigen. Sie wird vielmehr von einem kraftvollen Netz aus Rippen und Gurten dynamisch aufgenommen, zu den Wänden getragen und dort durch ein regelmäßiges Gerüst aus schlanken, halbrunden Wanddiensten und spitzen Schildbögen in die Wand gebunden. Die Ursache dieser raumgreifenden Struktur ist der hallenförmige Querschnitt, der alle Joche in gleicher Höhe überwölbt, sowie die Betonung der diagonalen, raumverbindenden Rippen durch kräftig-wulstige, aber dennoch differenzierte Profile, die Licht und Schatten fangen, vor den vertikalen Gurten, die wesentlich zierlicher gebildet sind und durch polygonal abgefaste Profile das Licht streuen und weiterleiten. Die Gurte, denen in romanischen Gewölben üblicherweise die Rolle zukommt, die Joche durch schwere Bänder zu begrenzen und voneinander zu trennen, verlaufen hier im Gegensatz zu den Rippen, in spitzem Bogen und scheinen die Joche arkadenförmig zueinander zu öffnen. So bündeln sie sich alsTeil des Gewölbenetzes ohne Überschneidungen mit den Rippen und senken sich mit ihnen wie Schirme auf die Säulen herab, die dadurch struktiv zum Zentrum von jeweils vier Jochen werden. Dies ist ein raumverbindendes Wölbungssystem, das das Zusammenklingen des Gesamtraumes meint. Wie wir sahen, bleibt es allerdings der obersten Raumzone vorbehalten, der auch das Licht zugeordnet ist, das in Höhe der Kämpfer von Süden und Westen her einfällt und das Netz der Gewölbeprofile zu Leben erweckt. In diesem lichten „Raumhimmel“ ist alle Hierarchie aufgehoben. Gleichmäßig überspannt er auf einheitlichem Kämpferniveau beide Kapellenräume, ist aber doch von dem unteren weiter entfernt und zudem von dort aus nur in einem kleinen Ausschnitt sichtbar. In den Chören dagegen schwingt er sich höher auf, kommt dem Göttlichen noch näher. Faßt man die stilistischen Formen der Egerer Oberkapelle zusammen, so stellt sie sich als ein in seinen Grundformen klassisch vollendeter zentraler Hallenraum dar, der in seiner hohen Gestrecktheit und ganzheitlichen Raumauffassung bereits spätmittelalterliche Elemente vorwegnimmt. Die Vollkommenheit seines tragenden Gerüstes und die homogene Durchformung seiner Einzelglieder sprechen bereits die Sprache der Gotik, während er sich doch in der Art, wie Mauer und Raumkörper noch überall spürbar bleiben, als Werk der Hochromanik zu erkennen gibt: An den Umfassungswänden, in den Gewölbekappen, im Triumphbogengewände, in dem sich die Dienste noch nicht von der Wand lösen, im geöffneten Mitteljoch und selbst unter den in außergewöhnlich sorgfältiger Steinmetzarbeit differenziert und scharf geschnittenen Profilen ist die Mauer stets immanent. Bei der Egerer Doppelkapelle handelt es sich also um einen Übergangsstil, der bereits einzelne „moderne“ Gedanken aufgreift, um sie in die bestehende romanische Vorstellungswelt einzuschmelzen, so daß es zu einer spannungsvollen Synthese verschiedener Elemente kommt, wie sie Spätstilen häufig zu eigen ist. Dem entsprechen auch das stilistische Wechselspiel der variierenden Sockelhöhe im Gegensatz zur einheitlichen Kämpferzone, der Wechsel von Rund- und Spitzbögen im Gewölbe und in den Portalen, das Nebeneinander des mauerimmanent durchgeformten Triumphbogens und der an dessen Stirnseite frei angesetzten Gewölbedienste sowie das manieristische Spiel mit Durchsichten im Raum und die Spannungen zwischen liegenden und stehenden Achsen, zwischen zentralisierendem und gerichtetem Raumfluß. Bauplastik Bevor wir darangehen, die Egerer Doppelkapelle in ihren zeitlichen und örtlichen stilistischen Bezügen zu würdigen, müssen wir zunächst ein weiteres wesentliches Gestaltungselement untersuchen, das bisher auf Grund seiner Eigenbedeutung weitgehend ausgeklammert wurde, obgleich es in engstem Bezug zu den architektonischen Formen steht: die dekorative Architekturplastik. Wir sahen bereits, daß sie als wichtiges Element die dynastische Gliederung der beiden Kapellengeschosse begleitet und mitbedingt. So ist sie oben bewußt prächtiger, differenzierter und figurenreicher ausgebildet als unten und zudem in edlem weißem Marmor oder Sandstein ausgeführt, der eine feinere, präzisere Bearbeitung erlaubt als der grobkörnige Granit im Untergeschoß. Hauptträger der Ornamentformen sind oben die Kapitelle, die die gerundeten Architekturglieder bekrönen, die Freisäulen, die Gewölbedienste und die Gewändesäulen, die Konsole über dem späteren Treppenlauf, der Schaft der Arkadensäule und die Sporen der attischen Basen. Das Südportal verziert ein Diamantband, das darüber liegende Rundfenster eine Flechtgirlande, die Fenster der Schmalseiten werden von feinen, geometrischen Ornamentbändern umzogen, die übrigen von glatten Profilen. Im Untergeschoß dagegen beschränkt sich das plastische Ornament auf die Kapitelle der vier Freisäulen und deren Kämpfer und auf die Eckdienstkapitelle im Chor. Die Formen der Bauplastik sind eng verknüpft mit der Grundstruktur ihrer architektonischen Träger, deren Analyse bisher aus der Raumbeschreibung der Pfalzkapelle ausgeklammert blieb, da sie ihre spezielle Aussage in der Hierarchie der Räume erst in Verbindung mit der Plastik erhalten. Vergleicht man die Grundformen der Kämpfer und Kapitelle beider Kapellen in ihrem proportionalen Verhältnis zueinander, so zeigt sich ein grundlegender Unterschied in der struktiven Wertigkeit, die der jeweiligen Raumaufteilung entspricht, oder besser, die sie mitbedingt. Unten werden die massiven, schwerfälligen Säulenschäfte durch gedrungene Würfelkapitelle in die Quaderform vergleichsweise hoher, massiger Kämpfer mit grober, tiefverschatteter Sägefrieseinlage und nur geringfügig auskragender Deckplatte übergeleitet. Dabei wird durch die Dominanz der Kämpfer in Proportion und plastischer Wucht das Lasten des Bogenfußes anschaulich gemacht. Die Kapitelle erscheinen durch die massive Gewölbelast zusammengedrückt oder scheinen sie wie Bekken zu unterfangen. Der letztere Eindruck wird an der nordwestlichen Säule und an den Eckdiensten des Chores in derTradition ottonischer Würfelkapitelle formal durch schlichte, von Wülsten gerahmte Halbschilde hervorgerufen. Im Oberraum sind die Kapitelle höher als unten, das heißt, sie entsprechen mit dem Schaftring genau der Höhe der darüberliegenden Kämpfer; die beiden sind in ihrer Wertigkeit ausgeglichen. Dadurch ist der Kämpfer hier nicht mehr als Fuß des lastenden Gewölbes aufzufassen, vielmehr setzt er die aufsteigende Tendenz der spannungsvoll schwellenden Säulen über das Kapitell hinaus fort, indem er sich in einer vielfältigen Kombination verschiedener Wülste, Kehlen und Plättchen in graziler Staffelung kelchförmig nach oben verbreitert. So nimmt er die steigende Energie der Säulenschäfte auf, ohne ihr Schweres entgegenzusetzen, vermag sie aber noch nicht, wie in der Gotik, in die Gewölberippen weiterzuleiten; sie muß nach einem Atemholen über der obersten Deckplatte erneut ansetzen. So wurde dieses Verbindungsglied zwischen den vertikalen Raumkräften in Ober- und Unterraum als Spiegel der verschiedenen Raumstrukturen als primär lastendes Element im einen, als steigendes Element im anderen Fall ausgebildet. Dabei ist zu beobachten, daß sich auch innerhalb der Geschosse eine Steigerung vom Lastenden zum Steigenden abzeichnet, was uns wieder ein Hinweis sein kann, daß es sich hier nicht um den Ausdruck verschiedener Bauepochen handelt, sondern um ein hierarchisches Stilmittel, was uns die Plastik weisen wird. Da ist etwa der Kämpfer der unteren Choreckdienste zwar noch immer hochgestreckt, aber schon wesentlich zierlicher gestaltet als die Freisäulenkämpfer. Umgekehrt steigern sich im Obergeschoß die Wandsäulenkämpfer zu denen der Freisäulen durch differenziertere, vielfältigere Profile. Innerhalb des Säulengevierts wird das aufwachsende Element dann zu einem verspielten Thema, das sich in vielfältiger Variation zwischen den einzelnen Säulen auslebt und diese durch Entsprechungen in horizontaler und diagonaler Richtung verspannt. So schwingt der Abakus der beiden südlichen Säulen an den Seiten konkav nach innen, wo er sich wiederum in drei runden Wülsten aufwirft, so daß er wie der plastisch belebte Hintergrund des Kapitells wirkt, das sich somit optisch nach oben verlängert. An den beiden an der Südwestecke und der Nordostecke diagonal gegenüberliegenden Säulen wird die Aufwärtsbewegung durch die Gestaltung der Schäfte bewirkt: Sie sind achteckig abgefast mit einschwingenden Seitenflächen, die Schatten fangen, so daß das Licht schwebend gratige Kanten zaubert, die den Blick nach oben ziehen. Base und Halsring vollziehen diese Bewegung mit. Die beiden über Kreuz stehenden zylindrischen Säulen gleichen diese fehlende Dynamik auf andere Art aus: die eine durch den beschriebenen einschwingenden Abakus, die andere durch gedrehte Schaftringe an Base und Kapitell. Eine Steigerung erfährt dieses Spiel dynamischer Durchformung dann im beschriebenen Arkadenkapitell des Kaiseroratoriums, wo die vibrierende Unruhe des im Zickzack kannelierten Schaftes im Kämpfer weitergeführt wird durch ein kleinteiliges Schachbrettmuster. Durch den eingezogenen Abakus reckt sich zudem das Kapitell noch schlanker in die Höhe, als das bei den vier Säulen im Schiff der Fall ist. Wir sahen, wie in den beiden Kapellengeschossen der Stilwechsel vom romanisch Lastenden zum gotisch Steigenden in der Verbindung von Kämpfer und Kapitell verbildlicht wird. Das Kapitell selbst bleibt davon mit wenigen Ausnahmen unberührt, seine Grundform unterscheidet sich in den beiden Geschossen vorrangig durch die Proportionen. Es zeigt die typisch spätromanische Form des Kelchblockkapitells, das am Übergang von der Romanik zur Gotik eine neutrale Rolle im Spannungsfeld der Vertikalkräfte spielt und seine Bedeutung primär als Vermittler zwischen dem Rund des Säulenschaftes und dem Rechteck des Gewölbeansatzes hat. In ihm überlagern sich die stereometrischen Formen von Kubus und Zylinder, so daß oben die Ecken körperhaft heraustreten zwischen flachen Seitenflächen, die sich unten zur Rundung einziehen. Die skulpturale Durchformung dieser Kapitelle varüert abhängig von der künstlerischen Potenz und Herkunft der einzelnen Steinmetzen. Es lassen sich mindestens vier verschiedene Hände unterscheiden, die in der plastischen Durchformung des Steinblocks und in der figuralen Gestaltung so unterschiedlich arbeiteten, daß den einzelnen Kapitellen in ihrer endgültigen Erscheinung immer neue Grundformen zukommen; von der einfachen, geraden Abschrägung bis zum schwellenden Korb. Dabei spielt im Unterraum noch die ottonische Form des Würfelkapitells mit hinein, das sich von seiner Funktion her gleichfalls als Vermittler verschiedener Formen versteht, aber stärker die Seitenflächen betont, wobei das beschriebene Nordwestkapitell der Urform am nächsten kommt, gleichwohl hier das Dekor nur angeheftet ist, gleichsam als Zitat einer ursprünglichen funktionellen Bedeutung. Ähnlich verhält sich die Reliefskulptur auch an den übrigen Kapitellen der Kapelle nicht als tektonisches oder organisches Wesen. Es bleibt das Ornament immer an den Kapitellkern gebunden, den es in einer mehr oder weniger dünnen Schicht umspinnt und belebt und aus dem sich selbst figürliche Formen nicht zu lösen vermögen. Das wird besonders deutlich in den Kapitellen, die das Thema des aufsteigenden Säulenschaftes bereits motivisch umsetzen in aufwachsende Blätter, ohne jedoch den Kapitellkern dabei zu tangieren. Diese Blätter sind noch nicht Illusion organischen Wachstums, sondern angefügtes Ornament; sie machen nicht das Aufwachsen des Raumes anschaulich, sondern leben in eigener Gestalt und Dynamik. Nur das südöstliche Freisäulenkapitell und das zweite Wanddienstkapitell an der Südwand der Oberkapelle gehen in plastischer Fleischlichkeit und organischer Bewegtheit über die anderen hinaus, gleichwohl ohne dabei die Grundform zu verlassen. Vergleichbar, wenngleich als ein der Bodenzone angehörendes Element wesentlich weniger differenziert, verhalten sich auch die Basen beider Kapellen als formverbindendes Architekturglied. Ihre Grundformen sind im ganzen Kapellenbau die gleichen, obgleich sie oben entsprechend der Raumhöhe auf extrem hohen Sockeln stehen, die sich ihnen durch eine geschwungene Konturenführung organisch verbinden. Im Unterraum entsprachen ihnen ursprünglich niedrige Sockel, die heute durch eine spätere Bodenaufschüttung ganz verdeckt sind. Die Basenform ist die in der Romanik weitverbreitete attische, bestehend aus Plinthe, zwei Wülsten und einer Hohlkehle, wobei der obere Wulst so dünn ist, daß er wie ein Schaftring bereits der Säule zugehörig erscheint. Die Ecken werden durch Sporen, Kugeln oder Blätter überlappt, wodurch sich im Gesamtbild der Säule eine spannungsvolle Beziehung zu den Ecken der Kapitelle ergibt. In der Art der Ausführung entsprechen auf Grund desselben Materials die Basen der Unterkapelle genau denen der oberen Wanddienste, die als Teil des umlaufenden Sockelbandes aus Granit gemeißelt sind. An den Freisäulenbasen der Oberkapelle dagegen sind ähnliche Motive entsprechend dem edleren Material differenzierter ausgeführt und beginnen sich plastisch von den Architekturgliedern zu emanzipieren, wobei jedoch die handwerkliche Präzision durchaus vergleichbar ist. So ist der Schaftring oben als plastischer Reif in eine Kehle eingelegt und kann sogar noch in sich durch Abschnürungen verziert sein, während er unten mit der Hohlkehle wulstartig verschmilzt. Dadurch schiebt sich zwischen Wulst und Kehle oben noch ein zusätzliches konturierendes Plättchen ein. Das Motiv des Palmettenblattes, das den Wulst an den Ecken überlappt, ist unten stark stilisiert und wirkt wie einTeil von ihm, während es oben, obgleich noch streng symmetrisch aufgebaut, schon ein plastisches Eigenleben führt. Die schlichte, unverzierte Spore der Unterkapelle wird oben mit feinen Rillen verziert zu einem eigenständigen plastischen Gebilde, das mit dem hier polygonalen Basenwulst nur mehr wenig zu tun hat. Auch in der skulpturalen Gestaltung der Kapitelle zieht sich eine einheitliche Motivik durch beide Kapellen, wobei es in der Unterkapelle durch das rauhe Material und eine offensichtlich bewußt archaische Reduzierung, verbunden mit dem beschriebenen tektonisch lastenden Gesamtbild der Säulen, zu einer wesentlich derberen, altertümlicheren Erscheinung kommt. Daß hier tatsächlich die gleichen Hände am Werk waren wie oben, dafür spricht neben der vergleichbaren skulpturalen Präzision die fast wörtliche Wiederholung des Motivs der Südwestsäule unten, am zweiten Wanddienst der Nordwand oben sowie eine sehr ähnliche Motivik zwischen der Südostsäule unten und dem zweiten Wanddienst der Südwand oben; wohlgemerkt oben immer in differenzierterer, reicherer Ausführung. So muß man die Ornamentik beider Kapellen in direktem stilistischem Zusammenhang sehen. Das auffallendste Stilmerkmal ist eine strenge Symmetrie zwischen Mittelachsen und Kanten, die die Kapitelle allseitig bestimmt, ihnen auf allen Seiten das gleiche Bild zuordnet. Nur die figürlichen Mittelsäulenkapitelle und das Arkadenkapitell der Oberkapelle weichen in ihrer herausragenden Stellung von diesem strengen Prinzip ab; wenngleich auch nur in einzelnen Details, die die Gesamtkonzeption nicht beeinflussen. Dominierendes Motiv ist das Band, das den Kapitellblock in geometrischen Rauten komplex zusammenfaßt oder ihn in Schleifen und Schlingen fein überspinnt. Es erscheint ein- oder zweisträhnig, glatt oder sanft gekehlt oder dicht mit einer Schnur kleiner Perlen besetzt, eine Art Diamantierung, die als Grundmotiv der Stauferhütten zu bezeichnen ist. Entsprechend dem symmetrischen Prinzip sind jeweils zwei oder mehrere Bänder auf der Mittelachse oder an den Kanten miteinander verbunden. Sie entwickeln sich paarweise unter den vielfältig modellierten Ecken hervor, um sich nach spannungsvollen Kurven an den Mittelachsen zu verflochtenen Herz- oder Palmettenformen zu vereinen, in deren Rahmen ihre Enden zu lappigen Blättern auswachsen. Dabei flicht sich meist ein weiteres waagrecht verlaufendes Band kurz über dem Schaftring durch die Bänderschleifen und verbindet sie zu einem komplexen Gefüge. Bei allen diesen ornamentalen Motiven sind die Zwischenräume im Sinne des Horror vacui dicht mit Palmetten- oder Lilienmotiven belegt. Ein anderes durchgängiges Ornamentmotiv ist die Palmettenspirale, die sich von einerVerbindung in der Mittelachse aus symmetrisch zu den Kanten hin entwickelt. Bei all diesen frei fließenden Ornamentformen wird die Rundung des Blocks durch das girlandenförmig über dem Schaftring schwingende Band- oder Blattmotiv thematisiert, während sich die Ecken durch herausmodellierte Köpfe, Muscheln, Trauben oder die Blattenden der Palmetten zu eigener Körperlichkeit herausheben. Dabei sind diese Eckmotive fast immer thematisch mit dem Ornament verbunden, sei es, daß es sich als Bart aus teuflischen oder tierischen Masken entwickelt, oder anders herum, daß sich die Blattornamente zu plastisch schwellenden Formen aufwerfen. Im Obergeschoß geht die Vielfalt der plastischen Formen über die beschriebene Grundmotivik noch hinaus. Es kommen nun rein pflanzliche Motive hinzu, die sich, gelöst vom disziplinierenden Bandornament, schon etwas vom organischen Wachstum der natürlichen Pflanze zu eigen machen. Es sind die schon erwähnten Kapitelle ander südöstlichen Mittelsäule und am zweiten Südwanddienst, Werke aus der Hand eines besonders fortschrittlichen Steinmetzen. Hier wachsen Palmetten vom unteren Rand auf, sich gegenseitig umschlingend oder überlappend und vom Rand der Deckplatte zurückgestoßen zu plastischen Formen. Hier beginnt sich der anorganische Stein bereits zu plastischer Fleischlichkeit zu wandeln, was, wie wir sehen werden, im engen Kontext des Säulengevierts auch inhaltliche Bedeutung erfährt. Drei weitere Kapitelle zeigen reine Pflanzenmotive (an der Nordwestecke des Schiffs und an den beiden östlichen Chorwanddiensten); doch wie anders ist hier die Auffassung: Da hat sich das stereometrische Element des organischen Blattwerks von Papyrus, Schilf und Palmette bemächtigt und es in ein stählernes, grobes Korsett aus hart eingeschnittenen Formen gegossen. Neben diese rein pflanzlichen Motive treten in der Oberkapelle auch rein figürliche, die sich sowohl als eigenständige Formen ohne ornamentale Einbindung aus dem nackten Block erheben oder in formale Koexistenz mit dem Ornament treten, so daß sich mit Hilfe der Symmetrie eine Form aus der anderen entwickelt. Zu unterscheiden sind reale und phantastischeTiere, menschliche und himmlische Wesen, die entweder zu Kopfmasken reduziert oder ganzfigurig dargestellt sind. Dabei ist zu beachten, daß mit Ausnahme der Mittelsäulen, die für sich zu betrachten sind, und der beschriebenen Eckkopfkapitelle, die sich aus den ornamentalen Motiven verstehen, alle figürlichen Kapitelle auf die Eckdienste und Gewändesäulen beschränkt sind. Das läßt sich einmal inhaltlich erklären als apotropäisches, das Böse bannendes Motiv, das im mittelalterlichen Kirchenbau mit Vorliebe an den Übergangszonen (Gewände) und besonders herausragenden Stellen angebracht wurde. Zum anderen ergibt es sich auch aus der speziellen Form dieser Kapitelle, die, im rechten Winkel eingemauert, nur eine einzige Ecke keilförmig nach vorne stoßen, so daß hier das Symmetrieprinzip weitgehend wegfällt. So kann jede Maske, jedes Tier den ihm bestimmten Platz als Einzelmotiv bereits bis zu den Rändern ausfüllen. Bei den ganzfigurigen Tiergestalten allerdings, die sich in den westlichen Chorecken befinden, bleibt die Symmetrie so weit motivbestimmend, daß sich jeweils zwei Tiere von den Seiten aufeinander zubewegen, um sich an den Kanten auf verschiedenste Weise zu vereinen. Sie wandeln sich durch die Symmetrie von der stilisierten Naturform zur Ornamentform: Da wachsen an der nordwestlichen Chorecke zwei Löwen zu einem einköpfigen grinsenden Monstrum zusammen. An der südwestlichen Ecke verschlingen zwei Drachen mit in sich gedrehten und geringelten Schlangenschwänzen gegenseitig die Hälse, um dann jeweils den Kopf zurückzuwenden, wo sie sich mit aufgerissenem Maul dem eigenen fletschenden Schlangenschwanz gegenübersehen. Ein weiteres, formal sehr unterschiedliches Kapitell mit Ganzfiguren befindet sich an der Südostecke des Schiffes. Hier hockt ein gnomartiger alter Mann an der Ecke und hält seinen langen Gabelbart, dessen zwei Enden ihm in gedrehten Spitzen bis zu den Füßen fallen, mit beiden Händen fest, wie um sich zu vergewissern, daß ihm dieses Symbol der Weisheit nicht verlorengeht. Aus seinem langen Haupthaar entwickeln sich zu beiden Seiten hin zierliche Bögen, unter welchen rechts und links jeweils ein nackter Mann und eine nackte Frau in schamhafter Haltung einander zugewandt stehen. Die folgenden Bögen sind von der Wand beschnitten, sie scheinen aber mit aufsteigenden Akantusblättern gefüllt zu sein. Es muß sich hier um die Darstellung des greisen Abraham handeln, der als Vater des Gottesvolkes seit dem 11. Jahrhundert in Verbindung mit dem Paradiesthema dargestellt wird. Bei den Nackten kann es sich in diesem Zusammenhang und auf Grund der Haltung nur um Adam und Eva handeln, wofür auch das Pflanzenmotiv als Hinweis auf den Paradiesbaum spricht. In seiner kleinfigurigen, erzählenden Darstellungsweise fällt dieses Kapitell stilistisch aus dem Rahmen. Möglicherweise ist das folgende Eckkapitell im Südwesten der Kapelle im direkten inhaltlichen Bezug darauf zu sehen. Es handelt sich um einen Widderkopf, das Attribut Abrahams, bezogen auf die verhinderte Opferung Isaaks. Mit ihm klingt bereits das Eckmaskenmotiv an, das die Ostwand mit dem Gewände und dem Nordostdienst prägt. Erstaunlich ist bei dem Widderkopf seine isolierte Stellung in der freien Fläche des Blocks. Diese scheint jedoch ursprünglich in Imitation des Schaffells eingerillt gewesen zu sein, was später offensichtlich übertüncht wurde und nur noch in Spuren erkennbar blieb. Der Kopf selbst ist vereinfachend stilisiert, aber besonders in der Partie der Hörner sehr treffend charakterisiert. In der Kombination einer gewissen breiten Schwammigkeit im Fleisch mit einer extrem harten Konturierung an Hörnern und Haaren scheint er von der gleichen Hand zu sein wie die Maskenköpfe der Ostwand. Deren Wirkung ist im wesentlichen bestimmt durch die Reihung im Gewände des Triumphbogens. Dagegen steht das nordwestliche Eckkapitell, das den gleichen Typus zeigt, für sich. Wie dieses haben die Gewändekapitelle nur die Breite einer Viertelsäule, sind aber durch den geringeren Durchmesser ihrer Säule flächenmäßig schmaler und auch niedriger. Zudem unterscheiden sie sich von den Eckkapitellen durch ihre Grundform, die nicht schwellend zum Rechteck des Architravs überleitet, sondern den Säulenzylinder über dem Schaftring unverändert weiterführt und knapp über den Köpfen mit dem spitz herausragenden Architrav abdeckt. Da dieser bündig aus der im Kern noch sichtbaren Mauer aufsteigt, ist er hier Teil der Wand, das heißt, die Säule mit ihrem Kopfkapitell ist aus der getreppten Gewändeecke herausmodelliert. Dadurch halten sich auch die Masken ganz flach an die Rundung, bleiben ohne eigene Plastizität. Breit füllen sie die ganze verfügbare Fläche aus, stoßen mit den langen, geriefelten Haaren an die Kanten. Da die jeweils mittlere Säule dicker ist als die äußeren, ist hier die Kopfmaske noch breiter gedrückt, schwingen sich ihre Haare seitlich zu Voluten nach oben und nach außen, um den Zwischenraum zu füllen. Doch obwohl die Haare nun in den Ecken direkt aneinanderstoßen, sind sie nicht symmetrisch ornamental aufeinander bezogen, wie das bei den außen angesetzten Wanddienstkapitellen der Fall ist und wie es dem symmetrischen Prinzip der anderen Kapitelle entspräche. Hier fehlt noch die künstlerische Voraussetzung, ein solches Gewände als plastische Einheit aufzufassen und durchzugestalten; eines der noch rein romanischen Stilmerkmale dieses Raumes. Auch die Gesichter sprechen noch eine archaische, ja derbe Sprache. Es ist ein grimmiger Typus mit kräftig vorstoßendem, zum Teil bärtigem Kinn, breiter, fleischiger Nase, niedriger Stirn und hervorquellenden, schräg nach unten gerichteten Augenovalen mit gebohrtem Pupillenloch für die Aufnahme schwarzer Farbe. Der aufgeworfene Mund ist seitlich zu einem mürrischen Ausdruck nach unten gezogen, wodurch sich gerade, tiefe Falten von den Nasenflügeln zu den Mundwinkeln ergeben. Wie schon der Widderkopf sind die Masken in Haar- und Bartbehandlung abstrakt ornamental aufgefaßt und in exakten harten Linien entschieden skulptiert, die Gesichter aber gleichzeitig von schwammig weicher Art, mit hängenden Backen. Wie wir sahen, wird die Kopfreihe im Gewände auf beiden Seiten zum Schiff hin durch vorgelegte Dienstkapitelle abgeschlossen, die sich in Größe, Material und Form von ihr unterscheiden, während sie sich im Motiv entsprechen. Da es Halbsäulenkapitelle sind, bilden sie zwei Ecken aus, die nun auch durch zwei Kopfmasken betont sind. Diese blicken in Richtung der Ecken im 45-Grad Winkel auseinander, so daß durch sie die Gewändereihung motivisch um die Halbsäule herumgeführt wird. Es sind gleichsam janusköpfige Wesen, deren Haare in der Mittelachse jeweils zu einer selbständigen, symmetrischen Ornamentform zusammenwachsen. Obgleich diese Kapitelle rechts und links des Gewändes durch ihre Sonderstellung und räumliche Zuordnung eng aufeinander bezogen sind, scheinen sie von zwei verschiedenen Steinmetzen ausgeführt zu sein, denn obgleich sich die Grundelemente der Gesichter entsprechen, fällt doch gegenüber dem nördlichen, das den Typus der Gewändereihe auf einer nun schwellenden Grundform fortführt, bei dem südlichen eine herausragende Qualität in Auffassung und Ausführung auf: Zwei große, bartlose Köpfe füllen auch hier über einer kurzen, glatten Halspartie die ganze Höhe des Kapitells aus. Zwischen ihnen streben aus einem halbkreisförmigen Diamantband kräftige Stengel empor, die seitlich nach oben und unten zu Palmetten auslappen und oben eineTraube hervorbringen. Rechts und links münden sie in die brezenförmig gerollten Ohren der Köpfe ein – ein Erkennungszeichen dieses Meisters. Die Gesichter sind plastischer, fester als beim Gewändetypus: Die Nasen stoßen weiter vor, die gleichfalls gelochten Augen werden von einem kräftigen Wulst umrahmt und liegen in tiefen Augenhöhlen eingebettet; der Mund ist zu einem ernsten, aber freundlichen Ausdruck geradegezogen, und die Haare sind schon sehr plastisch und fein ziseliert in Noppen beziehungsweise Wellen gelegt, was möglicherweise geschlechtsspezifisch gemeint ist. Die Noppen erinnern dabei verdächtig an antike Skulpturen. Allgemein scheinen sich die Köpfe schon von der Grundform des Kapitells zu emanzipieren, sind die Einzelformen schon etwas naturalistischer aufgefaßt, obgleich noch eine stark geometrisierendeTendenz in der Aufteilung der Gesichter zu bemerken ist. Auch wenn es sich hier um einen anderen, qualitativ besseren Künstler handelt, scheint er doch aus demselben Formenschatz geschöpft zu haben wie der erste. Ihm sind auf Grund stilistischer Gemeinsamkeiten auch die Kopfkonsole an der nordwestlichen Kapellenecke und das Arkadenkapitell am Herrschaftsoratorium zuzuschreiben. Die Konsole muß sich ursprünglich an einer anderen Stelle befunden haben, ihrer Qualität nach möglicherweise im Bereich des Herrscheroratoriums. Erst als dort später eine Treppe zum Erdgeschoß eingefügt wurde, scheint man sie als Stütze des nun frei endenden Eckdienstes an die heutige Stelle gesetzt zu haben. Sie zeigt einen bärtigen Männerkopf, der in der plastischen Auffassung wie im Detail dem beschriebenen Chorpfeilerkapitell entspricht. Das zeigen die ornamentalen Brezenohren, die vertieften Augen, der plastische Haaransatz, Mund, Nase und feste Konsistenz des Fleisches. Zudem führen hier die Haare zusammen mit dem Bart ein ungeheuer bewegtes Eigenleben aus parallel gelegten Strähnen, die auf das präziseste gemeißelt sind. Dabei liegt der Reiz auf dem Zusammenspiel von ornamentaler Auffassung, plastisch bewegter Komposition und feinster Ausführung. Leider ist diese hochwertigste Figuralplastik der Kapelle am Kinn abgeschlagen, was möglicherweise bei der Entfernung vom ursprünglichen Ort geschah. Als dritte Plastik kann man dem qualitätvollen Meister das Arkadensäulenkapitell beim Herrschaftsoratorium zuschreiben. An dessen einer Seite steigt derselbe Mittelstengel wie im Chorbogendienst einem Bäumchen gleich in die Höhe und schickt in naturgegebener Unregelmäßigkeit rechts und links Palmetten aus, die sich nach innen rollen oder weit entfalten und dazwischen kleine Trauben hervorbringen. Wenden wir uns nun nochmals demTriumphbogen zu mit den Kopfreihen im Gewände und den Köpfen der flankierenden Wandsäulenkapitelle, so erscheinen diese so eng aufeinander bezogenen Bauglieder in ihrer unterschiedlichen formalen Aussage als zwei stilistische Antipoden. Die einen derb, mürrisch und ornamental, dem Kapitellwürfel zugehörig, die anderen von ruhigem, freundlichem Ernst und plastischem Eigenleben. Hier, am Übergang zum Sakralen, an der betonten Stirnseite des Raumes, wird dieser stilistische Kontrast auch inhaltlich erfahrbar: als Dualismus von Gut und Böse. Dabei muß man die relativ schmale Bandbreite verschiedener Gesichtstypen bedenken, die diesen Künstlern zur Verfügung stand, wie sie besonders auch an den wesentlich eindeutiger polarisierten Mittelsäulenkapitellen abzulesen ist. Unsere Deutung bezieht sich auf die frühmittelalterliche Bildwelt, die nicht menschliche Charaktere, sondern Typen darstellt, die Unsichtbares, Gedankliches sichtbar machen wi11. Das ist der menschliche Konflikt zwischen heiligen und teuflischen Mächten, ein Grundthema der romanischen Bauplastik, das in den französischen Kathedralen zu den phantastischsten Darstellungen führte. Hier wirkt heidnische Bildmagie im christlichen Glauben, wenn das Böse durch seine Darstellung in der Kirche gebannt und kraftlos gemacht wird. So sind etwa die Drachen im Chor, die durch ihre zwei Köpfe am Schwanz als die Schlange Amphislaena gekennzeichnet sind – dem Symbol des Gottlosen, Teuflischen -, durch die Verschlingungen ihrer Köpfe und Schwänze mit dem uralten Knotenzauber gebannt und unschädlich gemacht. Entsprechend sind auch die pflanzlichen und ornamentalen Motive als Erben einer magischen, abstrakten Formenwelt aufzufassen, in denen sich dualistische Urvorstellungen ausleben, obgleich hier als gleichwertiger Einfluß auch die Formen der christlichen Antike berücksichtigt werden müssen. So ist das sich verschlingende, verflechtende Band im entsprechenden Kontext mit der Aufgabe verbunden, Gutes fest- und Böses fernzuhalten. In diesem Sinn kann man die Pflanzenmotive zwischen den Eckmasken der beiden äußeren Triumphbogendienste als Paradiesbaum und als gefesseltes Geschlinge des Bösen auffassen. Allgemein ist der Dualismus von Gut und Böse ein ikonographisches Grundthema der Egerer Pfalzkapelle, wie es jeden Kirchenbau der Zeit in irgendeiner Art beherrschte. Das soll jedoch nicht besagen, daß sich nun jede Form, jede Pflanze diesem Thema einordnen ließe, vielmehr ist vieles auch au.

(Kunst 1992)
Mehr anzeigen
Katalog 1994

Die Doppelkapelle Die Doppelkapelle ist das bedeutendste und besterhaltene Bauwerk der Kaiserpfalz. Wie auch die etwas früher entstandene Doppelkapelle in Nürnberg, stellt sie eine Sonderform der Herrschaftskapelle dar, wie sie fast ausschließlich in Deutschland zu finden ist. Dort hatte sich dieser Typus bereits in der karolingischen Pfalz als direkter Ausdruck der theokratischen Idee vom Gottesgnadentum etwickelt und wurde später in die feudalistische Burganlage als Spiegel der hierarchischen Ordnung übernommen. So ergibt sich ihre Form direkt aus der Funktion, getrennte Andachtsräume für Gesinde, Hofstaat und Kaiser zu erstellen, die jedoch liturgisch eine Einheit bilden. So verhelt der kubisch geschlossene, wuchtige Bau nach außen gänzlich die differenzierte Inneneinteilung, läßt die hierarchische Trennung nur in großen Fensteröffnungen und in der Verwendung edler Materialien anklingen. Innen jedoch findet sich eine Stockwerksteilung in ein düsteres, schweres Untergeschoß, etwas unter Niveauhöhe, mit wuchtigem Kreuzgewölbe und gedrungenen Granitsäulen und in ein helles, hohes Obergeschoß, das mit weißen Marmorsäulen und reicher Architekturplastik prächtig ausgeschmückt ist. Beide Räume sind durch eine Mittelöffnung untereinander verbunden. Das Privatoratorium des Kaisers seitlich neben dem oberen Chor ist darüberhinaus durch eine besonders reich geschmückte Marmorsäule mit zickzackförmig kanneliertem Schaft unter einer Doppelarkade hervorgehoben. Dieser rein formale Kontrast, wie er im Typus der Doppelkapelle obligatorisch ausgebildet ist, wird in Eger noch gesteigert durch eine stilistisch grundverschiedene Art von Raumauffassung und Einzelformen: Unter ein rein romanischer Raum, dessen Gewölbe ohne Schild- und Gurtbögen und ohne Auflagen wie aus der Mauermasse geschnitten erscheint und schwer auf den gedrückten Würfelkapitellen lastet, oben dagegen der leichte Skelettbau der Gotik, in dem die Mauer zwischen ein Gerüst aus drahtigen Diensten und Gewölberippen auf schlanken Säulen gespannt ist. Es wurde lange für diesen rein gotischen Oberbau eine wesentlich spätere Bauzeit angenommen, doch ergaben vergleichende Stilanalysen, daß die ganze Kapelle in 40 Jahren zwischen 1185, dem Baubeginn der Pfal, und 1225, der Bauzeit der stilverwandten Niklaskirche, entstanden sein muß. Der Stilkontrast erweist sich also als Kunstmittel, das in diesem Ausmaß jedoch nur durch neue Einflüsse von außen, etwa durch nachkommende Bauleute, möglich scheint. So schuf der Wille zu räumlicher Weite und Höhe mit den Mitteln eines neuimportierten Formenschatzes einen Hallenraum, der bereits Spätgotisches vorwegnimmt. In dem Vierstützenraum von dreimal drei gleichgroßen quadratischen Jochen sind die Akzente so gesetzt, daß nicht die Vertikale, wie in der Frühgotik üblich, sondern die Diagonale betont wird, wodurch der Blick frei von Wand zu Wand gleitet. So sind die Diagonalrippen stärker und differenzierter ausgebildet als die Gurte, die Säulen in Thematik und Bearbeitung diagonal aufeinader bezogen, die rechteckige Öffnung des Unterraumes oben in ein Oktogon gewandelt und zudem der Blick schräg weitergeführt zur prächtigen Kaiserloge. In diesem Spiel mit Durchsichten, das bereits in der Öffnung des Unterraumes nach oben anklingt, ist ein manieristischer Zug zu sehen, wie er häufig Übergangsstilen anhaftet. Daß es sich um einen solchen handelt, die Oberkapelle tatsächlich ins frühe 13. Jahrhundert gehört geht aus einigen stilistischen Unsicherheiten hervor, etwa der unterschiedlichen Sockelhöhe im Gegensatz zur streng durchgehaltenen Kämpferzone, dem Wechsel von Rund- und Spitzbögen im Gewölbe sowie aus der noch mauerimmanenten Durchbildung des Triumphbogengewändes im Gegensatz zum angefügten Gewölbedienst. Auch die Plastik spricht in beiden Räumen die gleiche Sprache, wenn sie auch oben bewußt prächtiger, figurenreicher und differenzierter ausgebildet ist, Oskar Schürer zeigt die direkte Abhängigkeit der Egerer Formen von Elsaß und Oberrhein, eine Verbindung, die sich durch die staufischen Bauherren ergibt. Im Gegensatz zum Erfindungsreichtum in den Raumkompositionen erscheint die Plastik eher provinziell und etwas derb drastisch im Ausdruck, wenn auch von sehr exakter Ausführung. Erotische Anzüglichkeiten ersetzen echte Eigenideen. Das läßt auf einen leitenden Künstler schließen, der mehr Architekt als Bildhauer war. Er scheint über Nürnberg nach Eger gereist zu sein, von wo er die Idee des dort räumlich bedingten Turmcharakters und der hierarchischen Dreigliederung entliehen zu haben scheint. Erstaunlich ist, daß die Sonderform der Egerer Kapelle in Böhmen ohne Nachfolge blieb – der Typus der Herrschaftskapelle scheint hier bereits mit Emporenkirche und Rotunde fest vorgegeben gewesen zu sein-, daß die Einzelformen jedoch vor allem in nordwestböhmischen Herrschaftskirchen vielfach übernommen wurden. Etwa 1185 bis 1225 von einer vermutlich oberrheinisch-elsässischen Bauhütte nach dem Vorbild von Nürnberg erbaut. Im 15. Jahrhundert neue Bedachung mit großem Dachreiter. 1818 bis 1856 restauriert. Ein kubisch geschlossener Bau ohne Gesimse. Grauer Schieferbruchstein mit Architekturplastik in rötlich-gelbem Granit und weißem Marmor. Profilierte Hausteinlisenen ohne Bogenfries rahmen den Bau. Auf großen Kragsteinen lag ursprünglich eine Holzgalerie auf, die vom Palas zum heute halbvermauerten Herrschaftsportal im Süden des Obergeschosses führte. Die Dienerschaft hatte ihren Eingang ins Untergeschoß an der Westseite. Die hohen Fenster oben mit teilweiser Marmorrahmung und feinen Profilen stehen im Gegensatz zu den vielen kleinen, unregelmäßig gesetzten Fenstern unten, was bereits auf eine hierarchische Trennung hinweist. Ein zweigeschossiger Bau mit hohem Obergeschoß und niederem, halb unter Bodenniveau liegendem Untergeschoß. Die Kapellen in beiden Stockwerken sind quadratiche Vierstützenräume von 3 x 3 Jochen, die untereinander durch eine Öffnung verbunden sind. Ein jeweils etwas höher liegender quadratischer Chor wird von schmalen Seitenräumen begleitet, von denen nur der obere südliche als Kaiseroratorium in seiner Funktion festgelegt ist. Die hierarchische Struktur der beiden Stockwerke manifestiert sich stilistisch in romanischen Formen unten und gotischen Formen oben. Das Geschoß der Dienerschaft wirkt kryptenartig schwer durch die vier gedrungenen Säulen und das gratlose Gewölbe, das wie aus der Mauer geschnitten erscheint. Die beiden Kapellen sind durch eine Öffnung des Mitteljochs räumlich und liturgisch verbunden. Dabei wird die rechteckige Öffnung nach oben durch Ecktrompen in ein Oktogon verwandelt. Die Herrschaftskapelle ist, wie im vorbildlichen Nürnberg, hochgestreckt, mit überlangen Säulen, hohen Sockeln und Kämpfern, und zeigt eine Mischung von Rund- und Spitzbögen im Gewölbe. Das hohe Rundfenster gibt gotische Helligkeit, wie der ganze Raum frühgotische Stilmerkmale zeigt. Über fünf Stufen gelangt man in den Herrschaftschor, der südlich durch eine Doppelarkade und eine besonders reich gestaltete Säule mit dem Kaiseroratorium verbunden ist. Hier stand der Thron des Kaiserpaares. Wie in Nürnberg findet hier eine hierarchische Dreiteilung in Räume für die Dienerschaft, den Hofstaat und den Kaiser statt. Die Plastik der Doppelkapelle beweist, daß die so stilistisch unterschiedlichen Geschosse von der gleichen Bauhütte ausgeführt wurden, da sich überall die gleichen Motive finden.Das wird besonders deutlich beim Vergleich der Basen. Die dennoch großen Unterschiede erklären sich aus dem hierarchischen Prinzip. So beschränkt sich der Formnenschatz unten auf pflanzliche und geometrische Motive; Figürliches taucht nur in Eckmasken auf. Oben dagegen sind szenische Motive verwendet und das Pflanzliche wird plastischer, fleischiger. Im Oberraum ist das Material edler weißer Marmor der seiner Härte wegen eine wesentlich feinere, präzisere Bearbeitung erlaubt als der Granit im Unterraum. Die Formen der Egerer Plastik haben ihr Vorbild im Elsaß: Breite, fleischige Gesichter mit wulstigen Augen und breiten Nasen, geriefeltes Haar, die Körper reliefartig in den Block zurückgenommen, die Gliedmaßen dabei eigenartig verrenkt. Die Drastik der Darstellung ist oftmals etwas übersteigert. So die äußerst deftige Darstellung des Lasters durch nackte Männergestalten im südöistlichen Kapitell des Oberraumes. Sie findet ihren Gegenpol an der Diagonalsäule in vier Engelsgestalten mit Bischofsstab, Kreuz, Gebetbuch und Weihrauchgefäß in Händen als Symbol der Tugend. Die rhythmisch gereihten Maskenköpfe am Triumphbogenfries der Oberkapelle stehen in direkter Verbindung mit dem Westportal der Stadtkirche.

(Katalog 1994,20-24)
Mehr anzeigen
Šebesta 1998

Die Doppelkapelle

Neben dem Palas ragt der wertvollste Bau der Kaiserpfalz auf, die Doppelkapelle. Sie wurde Anfang des 13. Jahrhunderts anstelle des längst aufgelassenen slawischen Friedhofs errichtet. Viele Skelette wurden beim Aushub der Fundamente für die Doppelkapelle beschädigt, einige Gräber wurden unter dem Fußbodenbelag im Inneren gefunden. Die erste historische Erwähnung der Doppelkapelle stammt aus dem Jahre 1213, als Kaiser Friedrich II. hier die Goldene Bulle, die die Beziehung zwischen dem Herrscher und der Kirche regelte, herausgab. Die Datierung des Baus auf diese Zeit beweist auch die im Mörtel der Westgrundmauer gefundene Keramik vom Anfang des 13. Jahrhunderts. Das einfache, kompakte Exterieur der Burgkapelle in der Form eines prismatischen Blocks aus dem Bruchmauerwerk mit Granitlisenen steht in markantem Gegensatz zu der stilistisch unterschiedlichen inneren Gestaltung der Kapelle. Das 1,5 m tief unter der Oberfläche des umliegenden Geländes versenkte Erdgeschoss mit vier massiven Granitsäulen, die das Kreuzgewölbe des viereckigen Schiffes tragen, ist ein typisches Beispiel der Romanik. Der ursprüngliche Bodenbelag aus Keramikfliesen wurde im 19. Jahrhundert mit Steinplatten überdeckt, die noch heute vohanden sind. In derselben Zeit wurde an der Eingangstür eine zweiflügelige Treppe gebaut. Über zwei Stufen steigt man in den Chor hinauf, der von beiden Seiten durch Sakristeien verengt ist. Die kleinen rechteckigen romanischen Fenster, die den Raum nur schwach erhellen, wurden erst in den Jahren 1996 und 1998 unter dem groben Verputz aus dem 18. Jahrhundert entdeckt und freigelegt. Das gotische Fenster in der Stirnwand wurde erst Ende des 19. Jahrhunderts nachräglich eingesetzt. In der nördlichen Sakristei wurde im Dezember 1997 ein Teil der steinernen Fundamente der älteren Bauphase der Kirche vom Anfang des 12. Jahrhunderts ans Licht gebracht. Unter dem Fußboden in der südlichen Sakristei ergrub man einen bisher unbekannten Umbau der Kapelle aus dem 14. Jahrhundert. Im steinernen Schutt fand man dabei neben der Keramik eine kleine Münze aus dem oberfränkischen Lauf und als erster Fund seiner Art in Eger auch ein kleines eisernes Votivtierchen, das als Opfertier des Hl. Martins, des Schutzpatrons der unteren Kapelle, benutzt wurde. Die kubistische Statue des segnenden Christus stammt von dem Egerer Bildhauer Josef Mayerl. Das mittlere Gewölbefeld des Schiffs in der unteren Kapelle fehlt, und eine achteckige Öffnung gibt den Blick in den emporstrebenden Raum der oberen Kapelle frei. Der Zugang dorthin war ursprünglich nur über die Außengalerie vom Palas aus möglich. Das heutige Treppenhaus wurde erst im 17. Jahrhundert beim Umbau der Kapelle im Barockstil errichtet, als die Kapelle als Pulvermagazin diente. Damals wurde auch der nordwestliche Eckdienst (Viertelsäule) gekürzt und von unten mit einem romanischen Kapitell abgeschlossen, das den Kopf eines bärtigen Mannes mit Portraitzügen darstellt. Die Herkunft dieses Kapitells ist bisher unbekannt. Vielleicht wurde sie vom Triumphbogen oder vom anderen Eckkapitell übertragen. Die obere Kapelle zieren schlanke Marmorsäulen und ein gotisches Kreuzgewölbe. Im mittleren Feld befindet sich neben dem Schlussstein eine Lücke für das Seil einer Glocke im Glockentürmchen, das 1645 abgetragen wurde. Alle Fenster und die Kapitellzierungen sind rein romanisch. Die feine Steinmetzarbeit zauberte hier schöne Pflanzenornamente und figurale Darstellungen in sehr naturalistischem Stil hervor. Das einzige stilistisch abweichende Merkmal in der Kapelle ist die Marmorsäule mit geriefeltem Schaft im Priesterraum, die wahrscheinlich Friedrich II., der Sizilianer, aus Italien, seinem Vaterland, mitbrachte. Neben der winzigen Sakristei führt eine Wendeltreppe auf den Dachboden. Über sie kommt man in eine kleine Kammer mit Renaissancekamin. Hier besaß der Sage nach der Stadtbürger Sigismund Wann, der historisch belegte Gründer des Spitals in Wunsiedel, in den Jahren 1458 – 1477 eine alchimistische Werkstatt. Die prachtvolle obere Kapelle diente dem Gottesdienst während der kaiserlichen Besuche. Es wäre zu einfach, sich mit der Erklärung zufriedenzugeben, dass in der unteren Kapelle das einfache Volk nur durch die Lücke in der Decke dem Gottesdienst zusehen konnte. Die beiden Kapellen sind selbstständige Kirchenräume, in denen getrennte Messen abgehalten wurden und die jeweils eigenen Heiligen geweiht waren. Die Verbindung durch den achteckigen Durchblick war höchstwahrscheinlich für die Taufpaten bestimmt, die so in der oberen Kapelle der Taufe im unteren Baptisterium beiwohnen konnten.

(Šebesta 1998)
Mehr anzeigen
© Copyright 2024 VisitCheb. Alle Rechte vorbehalten